Nachdem ich meine Lungenentzündung halbwegs kuriert hatte, machte ich mich mit einer Mitfahrgelegenheit auf nach Toronto, um von dort ins nächste große Abenteuer zu starten: Mit dem Zug nach Jasper in die Rocky Mountains!
Diese Vorstellung faszinierte mich irgendwie sofort, als ich von der dreitägigen Zugreise erfahren hab. Die Preise sind teurer, als Flüge. Aber die Art des Reisens ist nicht zu vergleichen. Ich liebe es, langsam zu reisen, wenn ich die Zeit dazu habe. Das verschafft mir auch die Möglichkeit, das Erlebte der vergangenen Wochen zu verarbeiten und mich gedanklich auf das Kommende vorzubereiten.
Ich hatte diese Idee schon etwas länger im Auge und schaute deshalb immer mal wieder nach Sonderangeboten. Denn die normale Zugfahrt in der Economyclass ohne Schlafmöglichkeit und Verpflegung kam allein schon an die 500 CAD. Ich hatte einen Super Saver Deal von Via Rail ergattert. Bei dem habe ich in der günstigsten Schlafoption (oberes Doppelstockbett, "upper berth" genannt) inklusive Vollverpflegung 669,53 Dollar inkl. Steuern gezahlt. Nicht gerade günstig. Aber für drei Übernachtungen und drei Mahlzeiten pro Tag zahle ich gern die kleine Differenz zur Economy mehr. Das war es mir wert.
Ohne den speziellen Deal hätte exakt die gleiche Zugreise in der "upper berth"-Kategorie um die 1200 Dollar gekostet. Das muss man sich mal überlegen :D Der Zug fährt diese Strecke übrigens nur zwei Mal pro Woche. Trotz der recht happigen Preise ist diese Zugreise aber sehr beliebt und deshalb auch ab Frühling sehr schnell ausgebucht. Genau wie in Deutschland gilt auch in Kanada: wer früher bucht, spart gut Geld! [übrigens auch, wer an einem Dienstag bucht].
Ich schlief die Nacht vor der Abreise bei Shamil, einem Couchsurfinghost, bei dem ich bereits im Dezember unterkam. Der hatte tatsächlich auch meine deutsche Zahnpasta aufgehoben, die ich bei ihm vergessen hatte. Dabei war bei dem Zeitpunkt nicht mal klar, dass wir uns wiedersehen würden. Witzig!
Mein Zugabenteuer startete am 19. April 9.50 Uhr.
Als Gast der gehobenen Klasse konnte ich mich vor der Abfahrt in der Lounge aufhalten, in der es verschiedene gratis Heißgetränke sowie Softdrinks gab. Auch Snacks und Lesematerial gab es kostenlos. Ich hatte mich natürlich darüber vorab informiert und nutzte die Zeit, um hier quasi zu frühstücken :D Außerdem nahm ich noch ein paar Kleinigkeiten mit in den Zug, ich wusste ja nicht genau, was für Mahlzeiten mich erwarten würden.
Das Gepäck wurde separat eingecheckt. Die Reisenden liefen dann geschlossen zum Bahnsteig, wo ein Angestellter noch einmal das Ticket checkte und eine gute Reise wünschte. Im Zug gab es eine Begrüßung mit Häppchen und Sekt, auch wurden wir über die Abläufe aufgeklärt. Ich lernte meine Abteilskollegen kennen und erfuhr, dass ich Glück hatte und die Kabine unter mir unbesetzt bliebe, weshalb ich diese beziehen dürfte. Vorteil war, dass ich somit nichts nachts und morgens kraxeln musste und außerdem, dass diese im Vergleich zur oberen Ebene ein Fenster (mit Rollo) hat.
Im Vergleich zu den Kabinen, die man buchen kann, ist die einzige Privatsphäre, die man im "upper and lower berth" hat, durch fette Vorhänge gegeben, die mit einem Klettverschluss schließen. Allerdings isoliert das nicht von einer möglichen Geräuschekulisse im Waggon. Dieser ist übrigens auch für alle Passagiere jederzeit begehbar. Wenn also jemand nachts schlafwandeln sollte, werde ich es ggf. hören. Handtücher und Duschartikel werden gestellt. Das Bett wird von einem Angestellten jeden Tag auf´s Neue hergerichtet, denn tagsüber wird aus dem Bett ein Sitzabteil.
aus den Sitzen... |
...wird ein Bett |
Eine Dusche war vorhanden sowie mehrere Toiletten. Diese waren erstaunlich sauber und geräumig. Der Zug fuhr mit einer kurzen Verzögerung ab. Das Abenteuer begann.
Was man in der Sleeper Plus Class bei Via Rail Canada geboten bekommt (oder auch nicht):
Highlight: Panorama-Wagen |
Unser Zug umfasste 18 Waggons (davon zwei Panoramawagen) und zwei Speisewagen. Im vorderen Teil war die Economy mit zwei Personen-Waggons sowie einem Panoramawagen, danach folge die Sleeper Plus Class (ebenfalls mit einem Panoramawagen und einem Restaurantabteil) und ganz am Ende die Prestige Klasse (Panoramawagen und Lounge-Wagen). Als Sleeper Plus und Prestige hatte man Zugang zu allen Bereichen, die Leute der Economy mussten im vorderen Zugabteil bleiben. 190 Passagiere befanden sich zu Beginn der Reise im Zug. Einige hatten kürzere Strecken rausgesucht, andere fuhren bis nach Vancouver durch. Die landschaftlich schönste Strecke ist sicher von Edmonton/ Jasper nach Vancouver, weil man hier durch die Rocky Mountains fährt.
Blick in eine Einzelkabine |
zum Vergleich die Economy |
Speisewagen |
Es gab drei feste Mahlzeiten am Tag:
Frühstück von 06.30-08.30 Uhr, Mittag entweder um 11.30 oder 13.00 Uhr und Abendessen entweder 17.30 oder 19.00 Uhr (man musste sich jeweils am Vortag anmelden). Die Mahlzeiten wurden in Etappen serviert, da es je Klasse nur einen Restaurantwagen gab und die Leute ja aber alle essen sollten und wollten ;)
Es gab immer mehrere Optionen zur Auswahl: süß oder deftiges Frühstück, vegetarisch oder fleischig zu Mittag oder Abend. Dazu meist noch ein Dessert/Kuchen. Wer nicht satt war, konnte sich Obst oder Kekse als Snack nehmen sowie Wasser und Kaffee/ Tee als Getränke. Das Essen war echt lecker, besser, als ich es erwartet hatte. Und das, obwohl ich vorab schon viele positive Bewertungen online gelesen hab. Aber ich bin eine kleine Mäkeltante und selbst ich war zufrieden :) Das Einzige, was ich zu bemängeln hätte, wäre, dass einmal mein Wunschgericht bereits vergriffen war und das, was ich dann gewählt hatte, leider so gar nicht meinen Vorstellungen entsprach...Auch wird man wahllos mit anderen Leuten an die Tischen gesetzt, damit hatte ich allerdings nie Probleme. Meinem Wunsch in Fahrtrichtung (und bestenfalls am Fenster) zu sitzen wurde auch fast immer nachgegangen.Neben dem Essen gab es auch eine tägliche Aktivität: von Trivia über Landesinformation oder Weinverkostung - die Touris wurden bei Laune gehalten. Man kommt sonst aber auch sehr schnell mit anderen Reisenden ins Gespräch. Ich hatte einen passionierten Zugexperten in meinem Abteil, der recht viele interessante Infos lieferte. Erstaunlicherweise waren nicht viele Passagiere ausländische Touristen. Ich lernte viele ältere Kanadier kennen, deren Traum es schon immer war, diese Reise zu machen. Bei den Preisen verstehe ich, warum man das nicht schon viel eher macht.
Neben dem Zugexperten und einer Frau, die nur mit einer Hand häkelte (da sie nur noch eine besaß), lernte ich Oceané kennen. Sie ist Mitte zwanzig, Französin, macht ebenfalls ein Work and Travel in Kanada und im Gegensatz zu mir bereist sie Kanada erst um im Anschluss an dem für sie schönsten Ort eine Arbeit zu suchen. Auch ein guter Ansatz :) Wir verstanden uns auf Anhieb und so wurde es nie langweilig.
wechselnde Landschaften |
es liegt sogar noch Schnee |
Der Zug hält diverse Male an unterschiedlichen Bahnhöfen. Mal ist nur Zeit, sich die Beine zu vertreten, mal steht man etwas länger und kann die jeweilige Stadt kurz besichtigen.
Was man vergeblich im Zug sucht, ist WIFI. Ich hingegen fand das eigentlich ganz gut ;). Weniger praktisch ist, dass es keinen Stromzugang am Schlafplatz gibt. Man muss sich also die wenigen verfügbaren Steckdosen im Aufenthaltsraum oder in den Toiletten mit allen anderen Passagieren teilen. Ansonsten war das Bett recht komfortabel. Etwas, das ich unterschätzt hatte, waren die doch recht ruckeligen Bewegungen des Zuges - auch während der Nacht. Aber die vielen (positiven) Eindrücke des ersten Tages ließen mich schnell einschlafen.
06.30 Uhr waren alle wach.
Lieblingsplatz |
"The forks" in Winnipeg |
Aus der Couch... |
...wird ein Bett. Quelle: https://canadarail.ca/via-railway-train/prestige-cabin-for-two/ |
Toilette der Prestige Class |
kein Zugende in Sicht |
Irgendwo im Nirgendwo |
Ein schöner erster Eindruck von Jasper! |