"Jeder Mensch bekommt zu seiner Geburt die Welt geschenkt. Die ganze Welt. Aber die meisten von uns haben noch nicht einmal das Geschenkband berührt, geschweige denn hineingeschaut."

Samstag, 22. August 2015

Backpacking im Balkan – Teil 2: Serbien

Es fiel mir nicht schwer, Bukarest, die Hauptstadt Rumäniens, hinter mir zu lassen. Dieser vollgestopften Stadt, die sich mir bedingt durch den Regen eher im schlechten Licht zeigte, hatte ich genug Zeit gewidmet.

Es war ein Freitag Morgen am 21. August 2015. Ich stand mit meinem Backpack und einer Supermarkttüte mit Essen am Straßenrand. Marius hatte mich dorthin gefahren. Neben mir weitere (lokale) Anhalter. Es war die Straße, die stadtauswärts und in meine Richtung führte. Wobei viele Wege nach Belgrad führen (siehe Karte).

Nach ausgiebiger Recherche, die nicht sonderlich viel hergab, entschied ich mich über die Grenze in Drobeta-Turnu nach Serbien zu reisen. Dies schien nicht nur der effektivste Weg, entlang des Donau-Deltas sollte diese Strecke auch landschaftlich vielversprechend sein (hitchhiking 2.0).

Der Start des Abenteuers

Ich stand keine fünf Minuten, da nahm mich ein  junges Pärchen 170 Kilometer mit nach Slatina. Ihr Auto war modern und bequem. Sie sprachen Englisch – eine der angenehmen Anhalterkonstellationen. In ihrem Heimatort angekommen, ließen sie mich an einer Sammelstelle raus, wo Busse in die naheliegenden Orte fahren.

Neben mir Einheimische, die auf den Bus warteten. Gegenüber auf der anderen Straßenseite drei Männer, die mich begutachteten. Es scheinen nicht viele Individualtouristen bzw. junge Frauen per Anhalter zu fahren und in diesem Örtchen zu halten. Doch bevor ich mir darüber großartig Gedanken machen konnte, hielt in der Kurve schon eine neue Mitfahrgelegenheit: ein Mann, der wenig Englisch sprach, mich aber unentgeltlich bis zum nächsten Ort Craiova mitnahm. Das Wetter war bestens, er fuhr als müsste er mir was beweisen und dennoch hatten wir beide einen guten Draht zueinander.

„You are a brave, strong woman“ (Du bist eine mutige, starke Frau) – und das aus dem Mund eines gestandenen rumänischen Mannes mittleren Alters.

Im Radio lief Modern Talking und es war einer der wenigen Momente, in denen ich die Musik der Band genoss. Der Fahrer lächelte mir zu, war erstaunt, als ich ihm sagte, dass die Band aus Deutschland sei und sie nicht mehr existiert. Kurz vor dem nächsten Ort sammelten wir weitere Fahrgäste ein. Das waren allerdings Einheimische, die, wie bereits im ersten Teil erwähnt, auch das per-Anhalter-Fahren nutzen und etwas Kleingeld dafür zahlen. Von mir verlangte nie jemand etwas. Ein junger Typ hinter mir konnte ein wenig Deutsch; er arbeitet und lebt zum Teil in Landshut, was ca. 80 km von München liegt. So klein ist die Welt :)

Nach einer kurzen, unterhaltsamen Fahrt ließ mich der Fahrer an einer Tankstelle in Craiova raus. Dort kam ich dank der schnellen Fahrweise beider Fahrgelegenheiten bereits 11.00 Uhr an (nach einer Distanz von insgesamt 230 Kilometern).

Wieder dauerte es nicht lang, da nahm mich ein Trucker mit. Allerdings nur für 300 Meter, dann erhielt er einen Anruf und er musste noch Ware laden, bevor er losfahren konnte. Also stieg ich wieder aus.

Ein Pärchen mit rumänischen Wurzeln, das aber in Italien lebte und dorthin zurück wollte, nahm mich im Anschluss mit. Wie habe ich mich geärgert dass von dem einen Semester Italienisch während meines Bachelor-Studiums so gar nichts hängen geblieben ist! Sie dachten sicher genauso, denn beide waren super kommunikativ, nur an meinen Antworten scheiterte es.

Die Beiden ließen mich in irgendeinem Kaff in der Mitte vom Nirgendwo hinaus. Ich fühlte mich noch beobachteter als in Slatina, und dieser Ort war schon klein. Es brauchte ein bisschen, bevor ich meinen Trip fortsetzen konnte. Ein Trucker, der eben etwas zu Essen kaufen war, sprach mich an. Ich halte ja immer die Schilder mit meinen nächsten Stopps in den Händen, wir einigten uns und ich durfte mitfahren.


Auch diese Fahrt habe ich sehr genossen. Die erhöhte Position im Truck, die Weite der Landschaft,die Pferdekutschen entlang des Weges. Was für die Menschen hier Normalität ist, ist für mich ein Fotomotiv. Ich amüsierte den Fahrer. Zum Glück sprach der Englisch, da ich nicht genau wusste, wo die Grenze sein sollte. Zwar hatte ich zuvor bei Google Maps alles gesucht und abfotografiert, aber der Trucker brachte mich zum Zweifeln und fuhr an die Grenze, die er kannte.

13.15 Uhr: nach 350 Kilometern hatte ich es zur Grenze geschafft. Ich war gut gelaunt. Der Trucker lies mich raus, ich bedankte mich ausgiebig und er fuhr weiter.

Der Grenzübergang

Naiv wie ich war, wollte ich zu Fuß die Grenze überqueren. Zwei Beamte erstickten diesen Gedanken schon im Keim. Sie meinten, ich müsse in ein Auto. Ich mag das nicht, wartende Autos Stück für Stück durchzugehen und nach Hilfe zu bitten. Wenn ich am Wegesrand stehe, ich das anders. Dann entscheiden sich die Fahrer, mich mitzunehmen. Dieses Mal hatte ich die Wahl.
Ich drückte den Polizisten noch meinen Müll in die Hand, Mülleimer waren hier Mangelware.

Dann führte mich das Schicksal zu Adriano, Italiener, der auch Deutsch sprach. Nicht nur, dass er mich im klimatisierten Auto mit über die Grenze nahm, nein, es gab sogar Kekse und das Beste: Er fuhr die ganzen 250 Kilometer bis nach Belgrad. Jackpot!


Der Grenzübergang dauerte 45 Minuten. Um es mal etwas zu raffen: Adriano und ich verstanden uns super. Wir hielten einmal
kurz, um am Wegesrand einen kleinen schwarzen Welpen zu füttern. Hat der sich gefreut! Mein Herz rief: Nimm ihn mit! Aber das wäre ja nicht so einfach möglich.
Adriano hat immer Hundefutter parat, wenn er zwischen Italien und Rumänien pendelt. Seine Klamottenfirma produziert in Rumänien, er war seit Monaten nicht mehr in seinem Haus am Meer. Für nur ein Wochenende Heimatgefühl nahm er 1000 Kilometer Strecke und den Stress auf sich. Dementsprechend zügig fuhren wir auch die kurvige Straße entlang. „Wenn ich allein fahren würde, wäre ich bedeutend schneller unterwegs“ – und ich fragte mich, wie das denn möglich sein sollte. Gleichzeitig hatte ich ein schlechtes Gewissen, ihn zu entschleunigen.



Wir kamen ins Donau-Delta und dann war sogar ein Fotostopp drin. Wie schön das da war! Je näher wir Belgrad kamen, desto mehr stockte der Verkehr. Die Bezahlschranke 40 Kilometer vor der Hauptstadt Serbiens erreichten wir 16.20 Uhr. In Serbien muss man ab und an durch solche Stationen fahren und für die Benutzung der Autobahn bezahlen. Mir fielen die vielen deutschen Kennzeichen um uns herum auf und Adriano meinte, dass es alles Gastarbeiter in Deutschland wären.
Hier kam sein wahres Gesicht zu Tage, denn Adriano positionierte sich sehr deutlich gegen Ausländer. Ich kann das verstehen, dass die Flüchtlinge, die über Italien in Europa Zugang finden wollen, das Land und die Bevölkerung schädigen. Adriano sprach davon, dass es den Leuten im Süden Italiens selbst schon sehr schlecht geht, sie unter den einfachsten Bedingungen leben und sehen müssen, wo sie bleiben, da der Staat keine Unterstützung bietet. Und wenn dann die Flüchtlinge kommen und sie mit Konsumgütern überschüttet werden, dies würde kein Verständnis bei den Einheimischen hervorrufen. Aber deshalb gleich so weit ausholen und Dinge äußern wie „zu Hitlers Zeiten hätte es das nicht gegeben“ – das machte mich sprachlos. Gegen die Muslime musste er dann natürlich auch noch wettern.


18.00 Uhr kam ich dann endlich nach 600 Kilometern und zehn Stunden Reise im Zentrum an.

Serbien (21. August bis 27. August 2015)

Beograd (Belgrad) 21.-14. August 2015

 

Als sich meine Pläne, den Balkantrip zu machen, festigten, war Bojan einer der ersten, den ich kontaktierte. Bojan und sein damaliger Mitbewohner waren 2011 schon mal mein Gastgeber, als ich das erste Mal in Belgrad war. Und auch dieses Mal durfte ich wieder bei ihm unterkommen. Soweit ich mich erinnern kann, ist Bojan damit der erste Host, bei dem ich zum zweiten Mal gesurft habe.

Er war umgezogen, zu meinem Glück zentraler. Ehrlich gesagt hatte ich nur wenige Erinnerungen an das Wochenende 2011. Und doch habe ich ihn gleich wiedererkannt, als er mich mit seinem schicken Cabrio in der Stadt abholte. 

 

Erik, mein aller erster Gastgeber in Rumänien, wollte das Wochenende ebenfalls nach Belgrad kommen und ich hatte Bojan gefragt, ob er auch bei ihm unterkommen könnte. Wenig später traf Erik dann auch ein. Da es schon etwas spät war und uns allen der Elan fehlte, machten wir am Abend nur noch eine kleine Sightseeingtour im Cabrio und endeten in einer Bar. 


Bojan war am Samstag beschäftigt, weshalb Erik und ich allein die Stadt
erkundeten und u.a. an einer gratis Stadtführung auf Trinkgeld-Basis teilnahmen. Ich wollte unbedingt zurück in die Kirche, in der mich damals im Winter 2011 ein Priester, der Deutsch sprach, gesegnet hatte. Nur der Priester, ich und ein älterer einheimischer Mann, der mich dorthin geführt hatte, im serbischen Winter in dieser reich verzierten, aber kleinen Kirche. Ein Gänsehaut-Moment.
Wir haben sie auch wieder gefunden. Die Kirche hatte den gleichen Charme, ihre Mosaiken im Inneren beeindruckten mich auf´s Neue. Leider war sie recht voll und es war tagsüber im Sommer, was bei weitem nicht so magisch war wie meine erste Erinnerung. Schön war es trotzdem.






Erik hat sichtlich viel Spaß bei der Stadtführung ;)
















Am Abend sind wir alle zusammen feiern gegangen. Dachte ich zumindest. Dann landeten wir aber in einer Art Bar, wo niemand tanzte. Das fand ich doof. Wir waren eine recht große Gruppe, Erik hatte am Freitag neue Kontakte geknüpft und Bojans Freunde waren auch da. Erik und ein Teil der Meute wollte weiter zum Donau-Ufer, wo festgemachte Schiffe zu verschiedenen Dancefloors wurden. Bojan ging nach Hause. Ich war hin und hergerissen und ließ mich dann doch zur Feierei verleiten. Yolo!
Das Ambiente am Wasser war echt nett, die Musik und die Anzahl der Personen/Quadratmeter allerdings weniger, weshalb Erik und ich dann nicht sehr lang geblieben sind.


Am Sonntag war Erik zum Joggen verabredet, Bojan nahm mich zu einem besonderen Restaurant mit, in dem es eine lokale Spezialität gab: eine Art panierte und frittierte Schnitzelrolle, die mit Käse (?) gefüllt war. Sehr lecker! Sie war so groß, dass wir sie uns teilten. Leider machte sich Erik bereits auf den Rückweg, als wir noch unterwegs waren. An diesem Sonntag war das Wetter bestens, Bojan und ich hatten aber ein kleines Hangover. Wir fuhren dann ein bisschen mit seinem Auto rum. Im Radio lief „The Sho must go on“ von Queen. Das war einer der starken Momente, in dem ich mal wieder aufwachte, realisierte wo ich bin und welch ein Glück ich doch habe. 


Ich und Bojan

Relikt des Jugoslawienkrieges

Wohin des Weges? 

 

Später gingen wir an der Donau spazieren und besuchten auf meinen Wunsch hin einen Friedhof. Der war sehr beeindruckend, da groß und überhalb der Stadt gelegen. Die meisten Grabsteine waren aus grauen oder schwarzen Stein und mit einem Foto des Verstorbenen geschmückt.

Am Abend waren wir immer noch faul, weshalb wir nur Filme geschaut haben. Ich habe meine Weiterreise geplant, wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht wirklich, wo ich als nächstes in Serbien hinwollte. Ich habe mehrere Gastgeber im Land angeschrieben und eine der ersten Zusagen kam aus Nis. 

 

Nis ist eine sehr ärmliche Stadt im Süden des Landes. Sie liegt 237 km von Belgrad entfernt. Bojan konnte mir keine Tipps zum Anhalterfahren in Serbien geben, weil er es selbst noch nie gemacht hat, erklärte mich im gleichen Atemzug aber als verrückt. Was als "probiere ich mal aus" in Rumänien startete, verfestigte sich immer mehr in der Idee, den ganzen Trip per Anhalter zurück zu legen. Ich wollte es einfach auch in Serbien versuchen. 

An einer sehr befahrenen Straße, für serbische Verhältnisse war es sicher schon eine Autobahn, die durch die Stadt führte, positionierte ich mich mit meinem Schild. 230 Kilometer sollte doch ein Klacks sein nach Rumänien. Ich sollte mich irren. Die Autos und Busse fuhren an mir vorbei. Mein Platz war strategisch auch nicht sehr gut, die Abfahrt vor mir führte in die Stadt und die Bushaltestelle hinter mir war hoch frequentiert, weshalb da auch kein Auto halten würde. Ich lief etwas weiter an der Schnellstraße lang und stellte mich an eine Abfahrt, die auf die gleiche führte. Die Sonne brannte. Ich musste warten. Obwohl optimistisch im Grundgedanken, kamen erste Zweifel auf. Ist Serbien ein Anhalter-Land?

 

Die erste schlechte Erfahrung mit einer Mitfahrgelegenheit

 

Mein Selbstvertrauen wurde kurze Zeit später belohnt. Ein alter Mann nahm mich mit bis kurz vor die erste Bezahlstelle mit. Dann stand ich da zwischen Autobahnauffahrt und Autobahn auf einem weiß markierten Bereich. Er diente mir imaginär als sicherer Wartebereich. Zum Glück fahren die Serben nicht wie die Rumänen. Ein alter Mercedes hielt. Ein dicker Mann in den geschätzt 40ern sprach mich auf deutsch an. Auf der Rückbank war vom Fahrrad zum Koffer alles vorgestellt. Woher er wisse, dass ich Deutsch wäre? „Die schönsten Frauen kommen aus Deutschland!“ Das bescherte mir bereits Unwohlsein. 

 

Der Mann war Mazedonier, der in Deutschland als Trucker arbeitet und auf den Weg zurück in sein Heimatland. Nach etwas Smalltalk gingen die Komplimente weiter bis zu dem Punkt, an dem ich sagte, dass es nun genug wär und ich es verstanden hätte. Dann kamen wir auf das Thema „per-Anhalter-Fahren“. Der Typie meinte, ob ich Geld bräuchte, weil ich doch trampe. Bevor ich antworten konnte schleuderte er mir die Infos entgegen, dass er doch genug Geld hätte, er mir locker 50 Euro geben könnte – gar kein Problem. Dann sagte ich ihm, dass es die schnellste Art der Fortbewegung in diesen Ländern sei, dass ich gern Leute kennenlerne und mir das Spaß macht. Als er wenig später meinte, ich könne ruhig meine Sachen ausziehen, weil es ja so verdammt warm im Auto war, hatte ich endgültig genug. 

 

Ich bat den Fahrer, mich an der nächsten Tankstelle rauszulassen. Er ruderte zurück, sagte, dass es doch nur ein Spaß sei. Ich meinte: nicht meine Art von Humor. Zumal er zu Beginn noch meinte, dass es doch gefährlich sei, als attraktive alleinreisende Frau unterwegs zu sein. Welch Ironie. Nach weiteren drei nachfragen, ob ich mir sicher sei und er es nicht so meinte, bestand ich weiterhin auf den Fahrerwechsel. An der Tankstelle geierte mich dann schon der nächste Typ an, ein Motorradfahrer. Zum Glück konnte der mich mit meinem Backpack eh nicht mitnehmen. Ich suchte mir einen neuen Fahrer, junger Mann, der auch Englisch sprach. Der nahm mich dann bis kurz vor Nis mit. Das letzte Ende fuhr ich mit einem äußerst netten älteren Mann, der mich bis ins Zentrum fuhr, obwohl er da gar nicht hin musste. 

 

Niš (24.-26. August 2015)

 

Mirko, mein Gastgeber :)

In Nis war ich mit Mirko verabredet. Mirko arbeitet saisonal auf einem Kreuzfahrtschiff und wenn er das nicht macht, wohnt er im Haus seiner Mutter und seines jüngeren Bruders. Mirko war mir zugegebenermaßen am Anfang nicht sonderlich sympathisch. Er ist ein ziemlich präsenter Kerl und hat am Anfang nur von sich erzählt. Wir haben einen riesigen Burger gegessen, der umgerechnet an die 1,20 Euro kostete. Hier war alles so unheimlich günstig! 

 

Wir fuhren dann erst einmal mit dem Bus in Richtung des Hauses. Ich wusste von seinem Profil, dass es ziemlich weit oben gelegen ist. Aber dass der Bus viel weiter unten bereits stoppte, hatte ich nicht eingeplant. Also mussten wir bei super heißem Wetter den Berg hoch kraxeln, er mit seinem Radl, ich mit meinem Rucksack. Da konnte auch die schöneAussicht auf die Stadt nichts mehr wettmachen.


das Segway
Wir gaben uns beiden eine Verschnaufpause, ich machte mich frisch und dann sind wir mit den Rädern wieder in die City. Erster Stopp beim Nachbarn: der konnte Deutsch sprechen und hatte ein Segway. Das
war ziemlich sensibel auf das Körperwicht des Fahrers. Mirko hat es nur geschafft, rückwärts zu fahren und gab mir Ratschläge, wie ich das Ding zu händeln hätte. Ohne groß zu überlegen sprang ich drauf und machte eine etwas bessere Figur als Mirko. Der war beeindruckt.
Danach sind wir zu einem seiner Kumpel gefahren, der hatte einen riesen Feigenbaum im Garten stehen. Ich wusste nicht mehr, ob ich frische Feigen mag oder nicht. Ich mag sie, sehr sogar. Kein Vergleich zwischen den Feigen, die in unseren Supermärkten rumliegen und den süßen Früchten der Versuchung in Nis. 

Über Couchsurfing hatte ich einen Journalistik-Studenten kennengelernt, Danilo, der mich zwar aufgrund des Platz-und Geldmangels nicht unterbringen konnte, sich aber trotzdem gern mit mir treffen wollte. Und da es quasi ein künftiger Kollege ist, war ich neugierig. Mirko machte es nichts aus und so trafen wir uns alle im Zentrum auf einen Drink. Naja, zumindest für Mirko und mich, Danilo meinte er könnte sich keinen leisten. Nicht mal im Supermarkt. Schon krass! Da ist alles mega günstig und dann nicht mal das. Mirko und ich kauften ihm erst was mit im Supermarkt und später beim Bäcker. 

 

Kleiner Exkurs: 

 

Bei der Suche nach einem Gastgeber in Nis stieß ich auf mehrere Profile vornehmlich von Studenten, die schrieben, dass sie dem Gast kein Essen anbieten könnten, weil sie kein Geld hätten. Ich war mir nicht bewusst, welche Verhältnisse hier herrschen.

 

Zu dieser Zeit war gerade ein Filmfestival in Nis. Die Karten für den Freitag waren jedoch schon verkauft. Dieses präsente Auftreten von Mirko sollte uns noch helfen. Wir sahen, dass am Eingang die Tickets kontrolliert wurden. Mriko fragte mich, ob ich einen Journalistenausweis hätte. Ich konnte nur den Volo-Ausweis vorzeigen. Danilo hatte gar nichts weiter, war aber auch äußerst pessimistisch, dass Mirkos Strategie klappen würde. Mirko nahm meinen Ausweis und einen von seinen und zeigte diese kurz bei dem Kontrolleur am Eingang und wir kamen tatsächlich rein. Drinnen folgte eine weitere Kontrolle, die wir einfach ignorierten. Mir schoss Adrenalin durch den Körper.

Tja und dann? Ein serbischer Kriegsfilm ohne Untertitel. Soweit gar nicht weiter schlimm, Mirko erklärte mir ein bisschen und dann schaute ich einfach den Film an. Aber Mirko meinte irgendwann, dass der drei Stunden gehen würde und dann verging auch mir die Lust. Also verließen wir das Freilichtkino wieder. Die Aktion wars aber defninitiv wert ;)

 

Mirko hat einen Bekannten, der beim lokalen Radiosender Banker arbeitet. Und was liegt da nahe? Genau, das verrückte, trampende Mädchen aus Deutschland verhökern :) Das war der erste Punkt der to-do-Liste für den nächsten Tag. Aber ich fand es super spannend, einen serbischen Radiosender zu besuchen und willigte ein. Der Moderator fragte mich zwei Minuten Dinge zu meiner Reise auf Englisch und das wars auch schon. Hat trotzdem Spaß gemacht. Ich liebe Couchsurfing!!!

Im Anschluss besuchten wir eine der wenigen Sehenswürdigkeiten in Nis: den Totenkopf-Turm.
Er wurde von den Osmanen aus den Knochen und Schädeln serbischer Rebellen erbaut, die bei der Schlacht von Čegar im Ersten Serbischen Aufstand 1809 gefallen waren. Bei der Fertigstellung waren es 952 Schädel. Heute ist der Turm nur noch drei Meter hoch und hat 58 erhaltene Schädel, da mit der Zeit die meisten gestohlen oder herausgenommen wurden, um „beerdigt“ zu werden. Um den Turm zu schützen, baute man eine Art Kapelle herum. War ganz interessant. 

 

Möchtegern-Tourist 

 

Es hat Vorteile, wenn man in eine Stadt reist, die aus touristischer Perspektive wenig zu bieten hat. So bleibt mehr Zeit, das einheimische Leben besser kennenzulernen und Dinge zu tun, für die man in Deutschland keine Zeit hat. Paragliding wäre auf die Kürze nicht mehr planbar gewesen, deshalb realisierten Mirko und ich meinen zweiten Wunsch: Reiten gehen. Wir sind mit den Rädern zu einem Reitstall gefahren, der aber eine Art Mittagspause machte. Wir sollten 14 Uhr wiederkommen. Zum Glück war ganz in der Nähe ein Thermalbad mit der Quelle frei zugänglich für die Öffentlichkeit. Also haben wir dort die Zeit überbrückt. Wobei es auch echt komisch war, bei Temperaturen von 30 Grad seine Beine in warmes Quellwasser zu packen. 

Im angrenzenden Spa-Hotel nutzten wir das Wifi und die Toiletten. Naja. Und dann gab es zur Mittagszeit eben Mittagessen. In einem großen Speisesaal voller alter Menschen. Mirko war dreist genug, und da reinzuschummeln. Er sagte dem Kellner in etwa: Wir haben Hunger, ob wir nicht was mitessen könnten. Konnten wir. Drei Gänge: Suppe, Salat und Hauptspeise (3 zur Wahl). Ich entschied mich für die gefüllte Paprika – gute Wahl. Haben die Alten geglotzt! Am Ende drückten wir den Kellner noch ein bisschen Geld in die Hand.

Dann war es Zeit, reiten zu gehen. Die Preise waren im Vergleich zu den anderen Dingen recht üppig. Zehn Minuten für knapp 6 Euro. Aber immer noch um ein Vielfaches günstiger als in Deutschland. Und ich war lange nicht mehr reiten. Und es hat sich gelohnt. Mirko hat sich auch auf den Rücken des Pferdes getraut, fand ich voll gut! Da er dann noch einen Termin hatte, bin ich shoppen gegangen und hab mir ein paar günstige Sommerschuhe gekauft. Viel mehr Platz war eh nicht in meinem Rucksack. 




 

 Am nächsten Tag wollte ich weiterziehen, obwohl mich Mirko versucht hat zu überreden, länger zu bleiben. Es war schön, einfach nur so abzuhängen, aber ich hatte noch viel auf meiner Reiseroute. Wir frühstückten noch einmal zusammen beim Bäcker, ich zahlte. Mit den umgerechnet fast zwei Euro für uns beide wurde ich -laut Mirko- für die anderen bezahlenden Leute schon fast Großverdiener. 

 

Nun galt es, von Nis an der Grenze vom Kosovo 180 km nach Novi Pazar weiterzuziehen. Mirko hatte die fixe Idee, wir könnten zusammen in den Kosovo fahren statt ich nach Novi P., und in einem Kloster übernachten, wofür ich mich sofort begeistern konnte. Aber dann kam ein kleines Gesundheitsproblem von Mirko dazwischen und so gab es doch keine spontane Planänderung.

 

Ich sollte mit dem Bus etwas außerhalb der Stadt fahren, um von dort bessere Chancen zu haben, mitgenommen zu werden. Mirko hatte da nicht so die große Ahnung, weshalb ich mit einem Omchen mitgelaufen bin, die auch in den Bus wollte. Die sprach sogar Deutsch, wie nett sie war! In irgendeinem Ort auf dem Weg nach Novi Pazar stieg ich aus. Und stand da, mit meinem Schildchen in der brütenden Hitze ohne Schatten irgendwo im Süden Serbiens. 

 

Die zweite schlechte Erfahrung

 

irgendwo auf dem Dorf...

Nach 20 Minuten nahm mich ein älterer Herr mit. 20 Minuten Zeit, mich zu fragen, was ich hier eigentlich mache. Er nahm mich ins nächste kleine Örtchen mit. Von dort nahm mich ein Kerl Mitte 30 mit. Der hat mich irgendwo wieder rausgelassen und ist weitergefahren. Wenig später war er es, mit dem ich dann doch nochmal mitgefahren bin. Da er kein Englisch konnte, bleibt mir allerdings unklar, wieso. Er machte mir mit seiner Gestik klar, dass er gern noch mit mir Essen wollen würde. Ich sagte ihm mit einem Deuten auf meine Uhr, dass ich keine Zeit hätte und wollte das Auto verlassen. Da packte der Typ mich mit beiden Armen an meinem Unterarm und wollte mich mit Nachdruck vom Essen überzeugen. Ich war so perplex, dass ich total geschockt geguckt haben muss, woraufhin er mich sofort losließ, ich meinen Rucksack schnappte und das Auto verließ. Leider ist es so, dass in diesen ländlichen Gebieten wirklich nie Frauen am Steuer sitzen. 

 

im Bus...

Ich steig als nächstes bei zwei netten alten Herren ein, die mich nach dem Absetzen noch auf ein Getränk einluden. Dieser Ort war verzwickt. Es führten zu viele Straßen in zu viele Richtungen. Ich stand nun mal dort und mal da, die Leute zeigten immer in eine andere Richtung. Ich fragte die Einheimischen, die mich dann letzten Endes zu einem Busterminal brachten. So fuhr ich 13.30 Uhr mit dem Bus von Brus nach Raska. Für die 65 Kilometer durch kurviges Gebiet brauchten wir zwei Stunden. Das sollte mir nicht wieder passieren!

 

Dann war es wieder ein Kerl, der mich bis nahe Novi Pazar mitnahm. Der sein Handy ans Ohr hielt um heimlich ein Foto von mir zu machen. Dumm nur, dass der Ton nicht lautlos war. Komische Leute :D Mit einer letzten Mitfahrgelegenheit ins Zentrum kam ich schließlich 16.00 Uhr in Novi Pazar an. 

 

Novi Pazar  (26.-27. August 2015)

 

In diesem muslimisch geprägten Ort wollte ich eigentlich nur eins sehen: ein Kloster etwas außerhalb der Stadt. Ich plante drei Tage ein: den Ankunftstag, den Sightseeing-Tag und den Abreisetag. In Novi P. hatte ich keinen Couchsurfer gefunden. Ich stapfte durch die Fußgängerpassage und fragte einen Polizisten, wo das Touristenbüro wäre. Das erregte die Aufmerksamkeit von drei Herren an einem Tisch eines Cafés. „Deutsch oder Englisch“ sprach man mich an. Ich erwiderte „Deutsch“.

 

Ich kam mit (leider habe ich seinen serbischen Namen vergessen und werde ihn Daddy Cool nennen) Daddy Cool, dessen Sohn und einen Familienfreund ins Gespräch. Sie luden mich zum Getränk ein, ich erzählte, was ich hier so mache und dass ich auf der Suche nach einer Unterkunft sei. Daddy Cool meinte: Mach dir keine Sorgen, du kommst bei uns unter. Uns meinte seine serbische Frau, die Tochter aus erster Ehe, die zu Besuch war sowie Sohn und Tochter mit eigenem Baby aus zweiter Ehe.


Und das Witzigste an der ganzen Geschichte: die Familie lebt in Deutschland in Leizig, 60 Kilometer von meiner Heimatstadt entfernt. Sie kommen ursprünglich aus Novi und haben hier erst ein Haus gebaut. Das war super modern und wieder einmal meinte es das Schicksal gut mit mir. Wir warteten auf die Mädels und fuhren zum Haus, um meine Sachen wegzubringen. Die Frau zeigte sich nicht sonderlich begeistert davon, dass ihr Mann ein fremdes Mädel von der Straße mitbrachte. Aber sagen konnte sie nicht wirklich was, hatte ich mich mit den Töchtern und den Vater schon verbündet. Der Sohn hatte nur dumme Sprüche auf Lager. 



Ich erzählte von meinen Plänen für Novi und noch am selben Abend fuhren wir zum Kloser, besuchten einen Friedhof, einen Bekannten der Familie und gingen essen. Später am Abend ging ich mit den Kids noch ins Zentrum. Es war ein Mittwoch Abend und die Straßen waren voll. Auch diese Stadt ist von Armut geprägt. Wir wollten zuerst in eine Shisha-Bar. Als wir reingehen wollten um einen Platz zu suchen, gab es eine Prügelei genau vor uns. Die Kerle wurden auseinander gerissen aber der eine war so voller Aggression, dass er sich losreißen konnte, ein Messer von einem Tisch schnappte und dem anderen Typen hinterher rannte. Frauen schieren, ich war geschockt. Die jüngere Tochter der Familie meinte dann nur ganz trocken, dass es doch noch gar nichts sei, manchmal ziehen sie auch Waffen. Wo bin ich hier gelandet?

 

Wir gingen in eine andere Bar, die draußen war und zudem viel besser, weil man hier das stolzierende Volk beobachten konnte. Auch wenn in Novi P. kaum jemand reich ist, sieht man das den Menschen nicht an. Entweder setzen sie sich den ganzen Abend in eine Bar und trinken ein Getränk für ´nen Euro oder sie laufen die Promenade auf und ab. So lernt man auch gern mal seinen Partner kennen, sagte man mir. Ich fand das äußerst amüsant. Und auch wir liefen dann eine Runde. 



Am nächsten Tag schliefen alle bis vormittags. Da mir die Stadt recht unsympathisch war, es nicht viel zu sehen gab, der Mutter es lieber war, wenn ich nur eine Nacht bliebe, es fürchterlich heiß war und ich mich auf´s Meer gefreut hatte, entschloss ich mich am nächsten Tag weiterzuziehen. Was wieder einen Grenzübergang nach Montenegro bedeutete. 

 

Ich besorgte nach dem "Frühstück" mit der Familie (es war mittags) noch schnell ein paar Sachen in der Stadt, darunter auch ein paar Kleinigkeiten als Dankeschön an die Familie, die mir Daddy Cool aber ohne großes Diskutieren in meinen Rucksack zurück packte. In der Mentalität zahlt der Mann alles und die Frau muss es ihm rechtmachen. Selbst ich als Kurzzeitgast wurde von der Frau zur Küche geschickt, um Daddy Cool was zu holen. Das ging meiner emanzipierten Erziehung mächtig gegen den Strich, aber es war ja nur für kurze Zeit.



Daddy Cool fuhr mich dann noch stadtauswärts kurz vor einen Tunnel, wo ich dann wieder mein Zettel zückte. Er hatte versucht, mich mit einen seiner Freunde mitzuschicken, aber es wollte einfach niemand nach Podgorica, der Hauptstadt Montenegros. Die Distanz beträgt 230 Kilometer.  

 

Aller guten Dinge... 

 

Der erste Truck, der anhielt, war mit drei jungschen Typen schon mehr als voll. Aber sie meinten, ich passe da inklusive Rucksack noch rein. In der Tat, abgesehen davon, dass ich fast auf dem Schoß des einen saß und meine Comfort-Zone mehr als überschritten war. Sie waren laut, nervig und sprachen kein Englisch, machten die ganze Zeit Fotos von und mit mir und wir kamen nur mühsam voran. Irgendwann gab mir der Fahrer sein Handy, ich telefonierte mit seinem Kumpel, der Deutsch sprach und mir sagte, dass sie nicht in meine Richtung fahren. Ganz prima. Ich wollte schnellstmöglich raus, wurde pissig. Der Fahrer hielt und der eine Typ meinte, mit mir zusammen aussteigen zu müssen. Mir wurde bange, waren wir in einer kurvenreichen Straße fernab von Zivilisation. Ich schnappte mein Zeug, der Bursche kam wirklich mit runter, aber ich ignorierte ihn, lief strikt und schnellen Fußes weg vom Truck und versuchte alles zu stoppen, was vorbeifuhr. 

 

So, genug mit dem Scheiß. Wie sind die Männer in Serbien denn drauf? Doof nur, dass ich mich so ziemlich weit weg von irgendeiner Busstation befand und dann doch wieder per Anhalter weitermusste. Aber diese Erfahrung sollte die letzte negative sein. 

 

Nach weiteren Mitfahrgelegenheiten kam ich an der Grenze an und versuchte es gar nicht erst per pedes. Ich stieg bei einem gutaussehenden Kerl ein, dessen Auto ganz schön was her machte. Die Fahrt währte nur kurz und meine letzte Mitfahrgelegenheit war mit Abstand die Beste, weil ich mit Momo mitfahren durfte, der Polizeichef in einer Küstenregion in Montenegro. Er sprach Englisch, ich durfte seine Marke sehen und die Fahrt war landschaftlich auch sehr attraktiv. Wir waren ziemlich zügig unterwegs und ich fragte, was passiert, wenn man ihn mit zu vielen km/h erwischen würde. Da musste er lachen, er war doch Polizist! 

 

In Podgorica lud mich Momo noch auf ein Getränk ein, sein Neffe kam hinzu und brachte mich dann sogar noch bis zu meiner Gastgeberin. Das hat die drei Spasten vom Anfand wieder gut gemacht :)

 

Über meine Zeit in der kleinen Republik, in der ich endlich wieder mit Euro zahlen konnte, und mich der "angenehmere Teil" der Reise, nämlich Strandurlaub erwarten sollte, berichte ich im dritten Teil. 



Auffälligkeiten in Serbien:


-beim Anhalterfahren ist spätestens die zweite Frage, ob man vergeben wäre  
-dafür sicherere Fahrweise
-in Serbien gibt es im Vergleich zu Rumänien wesentlich weniger kostenloses Wifi (Mc Donalds hat sich da mehrmals bezahlt gemacht)
-touristisch weniger spannend als Rumänien
-sehr viele deutsche Kennzeichen in Serbien unterwegs
-dort wo die Bevölkerung wenig Geld zur Verfügung hat, kompensieren zumindest die Frauen das mit „gutem Aussehen“: die Frauen in Nis und Novi Pazar waren alle mega gestylt, als würden sie Samstag Abend feiern gehen (es war wochentags)
-Bäcker haben 24 Stunden geöffnet und verkaufen deftige Sachen wir Börek aber auch süßes Zeug




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