"Jeder Mensch bekommt zu seiner Geburt die Welt geschenkt. Die ganze Welt. Aber die meisten von uns haben noch nicht einmal das Geschenkband berührt, geschweige denn hineingeschaut."

Dienstag, 24. Mai 2016

Bhutan 2. Teil: Das Prinzenfest – ohne Prinzen

Vom 2. bis 4. Mai 2016 fand in der Hauptstadt Thimphu das Peling Tsechu statt, das primär wegen der Geburt des Prinzen Jigme Namgyel Wangchuck vom 5. Februar 2016 stattfand.  Ich hatte das Glück, dem Festival zwei von drei Tagen beizuwohnen. Auf Anraten einer meiner Kollegin entschied ich mich, bereits am ersten Tag anzureisen.

Laut offizieller Agenda sollte es 9.00 Uhr losgehen. Ich bin mit einem Sammeltaxi (hier kommen vorwiegend Kleinwagen wie Fiat Altos zum Einsatz) von Paro nach Thimphu gefahren. Das mit dem Taxifahren läuft wie folgt ab: man steigt ein und sammelt dann weitere Fahrgäste ein. Entweder indem man in der Stadt herumfährt und jeden anquatscht, ob er nicht nach Thimphu fahren will (der Fahrer ruft „Thimphu, Thimphu“ aus dem Auto) oder man bleibt stehen und hofft auf Leute, die zusteigen. Wir sind herumgefahren und waren nach ca. 15 Minuten zum Glück vollzählig (also zu 5. im Auto, bei einem Alto sehr viel Körperkontakt). Die Fahrt kostet 200 Ngultrum, ca 2.60 Euro für etwa 50 Kilometer. Dafür muss man aber auch tolerieren, wenn der Fahrer am Straßenrand anhält, um Pipi zu machen oder sich ein anderes Mal am Straßenstand Hartkäse kauft. Oder wenn er anhält, um zu telefonieren. 

Die Dame auf Tuchfühlung
Das Einsammeln und die diversen Zwischenstopps warfen mich zeitlich zurück. Ich war erst gegen 10 Uhr an einem Platz, wo gratis Shuttle-Busse zum Veranstaltungsort fuhren. Das war die 51 m hohe Buddha-Statue, die über der Stadt thront. Aufgrund weniger Parkplätze und enger Straßen beschloss der König, gratis Shuttles in Form von Bussen und Taxis anzubieten. Nett vom König. Ich wartete mit anderen Leuten, wir stellten uns in einer Reihe auf. Dann kam ein Bus und ich ergatterte einen Einzelplatz direkt am Eingang – dachte ich zumindest. Vor mir stand eine Frau, die sich am Gatter festhielt. War ihr wohl zu unbequem, denn irgendwann setzte sie sich einfach mit auf meinen EINZEL-Sitz. Ohne Fragen, ohne schlechtes Gewissen. Nach einer Weile schien ihr dann aufzufallen, dass es noch unbequemer als das Stehen war, also stellte sie sich wieder hin. Was sie aber nicht hinderte, sich an mich (ich hatte meinen Rucksack auf meinem Schoß) anzulehnen. Oder eher gesagt abzustützen…

Zum Glück dauerte die Fahrt nur etwa 20 Minuten. Am Buddha-Point war 
der Veranstaltungsort
das Fest schon im vollen Gange: Vor dem Buddha waren ein paar Zelte errichtet, in denen die königliche Familie und besondere Gäste Platz nahmen. Davor war der Schauplatz und davor wiederum saßen die Bhutaner in ihren schönsten Roben. Montag war ein Feiertag (der 60. Geburtstag des vierten Königs), weshalb besonders viele Leute anwesend waren. Die ersten Reihen saßen im Schneidersitz auf dem Boden, die hintersten Standen. Ich kämpfte mich bis in Reihe 4 vor, es war schwer noch einen Einzelplatz zu ergattern, wurden die Zuschauer von Freiwilligen und Polizei in Reih und Glied gesetzt. Es war gerade eine Art Pause und zwei Pausenclowns unterhielten die Masse. Einer davon kam auf mich zu. In seiner Hand ein großer roter Holzpenis, den er wie als Waffe hielt. Penisse stehen für Fruchtbarkeit und sind oftmals an Hauswänden zu finden. Er sprach auf Dzongkha mit mir, ich sagte ihm, dass er Englisch mit mir sprechen könnte. Konnte oder wollte er aber nicht. Anhand des häufigen Gelächters der Leute war mir klar, dass er sich über mich lustig machte. Gemeinheit, wenn man sich nicht wehren kann!

König und Königin
Wenig später kamen der König und seine Königin Hand in Hand die Buddha-Statue herunter. Sie kamen sogar vor bis zum einfachen Pöbel, unter dem ich mich auch befand. Leider nahm mich der König nicht wahr, sprach aber mit den Einheimischen der ersten beiden Reihen. Eigentlich galt Fotoverbot, aber diese einzigartige Chance durfte ich nicht verpassen. Dann nahmen beide Platz und Tänze folgten. Es kamen über 200 Tänzer aus ganz Bhutan zum Festival zusammen. 


Upgrade

Dann war irgendwann Mittagspause und ich sah, wie die geladenen Leute weniger im Zelt wurden und wie Ausländer mit guter Kamera hineingelassen wurden. Also tat ich es ihnen gleich und genoss die Aussicht und beste Fotoperspektive. Farbenprächtige Gewänder gepaart mit Trommel- und Trötenmusik boten eine Vielfalt bhutanesischer Kultur. Gut, dass ich eine Sonnenbrille dabei hatte, die Sonne schien so stark auf den weißen Beton, dass alles überstrahlt war. Etwas ungewöhnlich war, dass niemand nach den Darbietungen klatschte. Nur bei den Schülern, die tanzten, wurde eien Ausnahme gemacht. 

Die Königs waren verschwunden. Ich kam mit dem Mann neben mir ins Gespräch, der zufällig der Polizeichef in Thimphu war. Der wiederum machte mich dem Veranstalter bekannt und so wurde mir für den nächsten Tag ein Platz im Zelt garantiert. Das Fest war gegen 13.30 Uhr zu Ende. Dann wurde es auch zu windig beim Buddha.

Hier ein paar Festivalimpressionen:





Warmer Schokokuchen
Am Nachmittag traf ich mich mit Dorjis Cousine, bei der ich auch übernachten sollte. Tshewang, junge 24 Jahre alt, Kindergartenlehrerin. Zusammen mit Dorji tranken wir einen Kaffee, ich bestellte noch ein Schoko-Croissant. Croissants schmecken in Bhutan selten wie die Originale aus Frankreich, aber in diesem Laden gab man sich Mühe. Womit man nur klar kommen sollte ist, dass alles an Kuchenkram warm gemacht wird, bevor man es serviert bekommt. 

In der "Bar"
Wir bummelten noch etwas durch die Stadt und trafen uns später mit ihrer verrückten Freundin Karma. Um die Zeit zum Abendessen zu überbrücken gingen wir in eine Bar eines Bekannten. Recht abgeschieden und nicht besonders hübsch. Von der Hygiene der Toilette will ich gar nicht erst reden :D Die Mädels (inklusive der Fahrerin) bestellten sich einheimischen Whiskey und Apfelsaft. Für mich Cola und Whiskey. Die Kombi fanden die Mädels komisch. Obwohl in ganz Bhutan Tabakverbot herrscht, rauchten die Mädels und hingen an ihren Smartphones. Ganz wie in Deutschland ;)

Als die zweite Runde der Drinks kam (auch für die Fahrerin), enthielt ich mich. Mein Magen grummelte schon etwas. Irgendwann fragten sie mich, wann ich normalerweise Abendbrot esse. Ich sagte zwischen 19 und 20 Uhr, was in Bhutan noch recht zeitig ist. Trotzdem machten wir uns dann langsam los in ein traditionelles Lokal. Da gab es aber nur Ema Datshi, das Nationalgericht. Es besteht aus einem Chili in Käsesoße mit Reis. Super scharf und deftig. Ich musste mit dem Magen passen. Dann fuhren wir schließlich in ein chinesisches Restaurant, wo ich Nudeln bestellen konnte. Wie auch beim Laufen, wenn jemand später kommt, wartet man auch nicht beim Essen auf andere. Sobald das Essen da ist, wird losgelegt. 


Im Anschluss sind wir noch in eine Karaoke-Bar gegangen. Der Eintritt war frei und wir waren die einzigen Gäste. War trotzdem lustig. Die folgende Nacht leider gar nicht. Ich konnte aufgrund des Magens ganz schlecht schlafen. 


Zweiter Festivaltag

Am nächsten Tag musste Tshewang leider arbeiten, also startete ich allein zum Buddha. Dieses Mal konnte ich mich in ein gratis Taxis quetschen. Heute wollte ich pünktlich 9 Uhr vor Ort sein, weil sich laut Programm die Königs wieder ankündigten. Dem war aber nicht so. Die Zuschauer waren auch sehr viel weniger und im Zelt war so oder so Platz. Am zweiten Tag waren die Tänze sehr viel länger, zum Teil 45-60 Minuten und dementsprechend wenig bewegungsintensiv oder abwechslungsreich. Es fiel mir schwer, die Augen offen zu halten.

Nicht schwer hingegen fiel es mir, die Veranstaltung vor offiziellem Ende zu verlassen. Der Run auf die Busse zurück in die Stadt war abnormal. Eine alte, gebrechlich scheinende Frau drückte ich so stark an mir vorbei, um sich in den Bus zu quetschen. Ich hatte nur einen Stehplatz, aber ein paar Gentlemen boten mir einen Sitzplatz an. 

Ich schaute noch im Memorialchorten vorbei, drehte neun Ehrenrunden für Buddha und machte mich im Anschluss zurück auf den Weg nach Paro. Ganze 45 Minuten dauerte es, bis das Taxi voll war…
Den Rest der Woche arbeitete ich weiter an der Website www.layatours.de

Auf 4000 Meter Höhe

Am Samstag holte mich Beate früh mit ein paar Hunden ab, um mit
mir ins benachbarte Haa-Tal zu fahren. Auf dem Weg dorthin überquerten wir den höchsten befahrbaren Pass Bhutans, den Chele La mit 3.988 Metern. Auf dem Weg dahin haben wir Yaks gesehen, sehen für mich aus wie eine Kreuzung aus Kuh und Ameisenbär :D

Lechuna Lodge
Nachdem wir in der Lechuna Heritage Lodge unsere Zimmer
bezogen hatten, gab es Mittagessen (gebratener Reis). Danach sind wir mit den Hunden wandern gegangen. Das Haa Tal ist im Vergleich zum Paro Tal noch viel ursprünglicher. Erst seit 2002 dürfen Touristen hierher. Dementsprechend gibt es noch wenig Hotels und Souvenirläden. Viele Sehenswürdigkeiten gibt es allerdings auch nicht, weshalb auch heute noch nur wenige Touris hierher finden.

 
Leider ist das Verständnis für eine saubere Umwelt noch verbesserungswürdig

Ich mochte den ländlichen Flair und die Ruhe. Apropos Ruhe.. der einzige Ort, wo sie am dringlichsten gewesen wäre, war nun gerade nicht ruhig: Vor meinem Hotelzimmer im Gangfenster hatte eine Vogelfamilie ihr Nest gebaut und das Kreischen der 5 Jungvögel was vergleichbar mit einer Krähe auf Helium.

Der Spaziergang wurde durch einen Regenschauer unterbrochen. Wir suchten
Unterschlupf in einem Haus, wo ein älteres Ehepaar am Werkeln war. Es war ein halbwegs öffentliches Haus, davor stand ein Schild „Agriculture Ministery“. Wir durften herein, sogar mit allen 5 Hunden. Beate fragte den guten alten Mann, ob er uns einen Tee machen würde, saßen wir dann im Raum, der Küche, Schlafzimmer und Shop vereinte. Und er tat uns den Gefallen.

Nach etwa einer halben Stunde machten wir uns zurück. Im Hotel gab es Abendessen und gegen 20 Uhr ging Beate ins Bett, ich wenig später. Wanderungen auf 2.800m machen müde 
Der Sonntag begrüßte uns mit Sonnenschein. Es gab u.a. Pancakes aus Buchweizen zum Frühstück, sehr lecker. Dann fuhren wir zu einem Kloster, was hinter einem Berg versteckt lag. Eine kurvenreiche ungeteerte Straße führte hinauf. Wir parkten das Auto und liefen zum etwa 20 Minuten entfernten Kloster, was sich ähnlich wie das berühmte Tigernest am Felsen anschmiegte.
Wir waren die einzigen Besucher und wurden von den drei Mönchen herzlich empfangen. Leider sprach keiner Englisch. Fotos in den Altarräumen sind generell verboten (außer mit Ausnahmen). Wir liefen weiter im hohen Bogen zum neuen Kloster auf der Bergspitze, das allerdings noch geschlossen war. Das Laufen in geschätzt 3.300m Höhe und in Sonnenschein war ganz schön anstrengend. Dafür war die Aussicht auch recht nett.  




Am Auto angekommen schauten wir uns noch ein Bauernhaus an, welches besonders schön war. Der Besitzer sprach Englisch und zeigte und sein Grundstück. Am frühen Nachmittag sind wir dann zurück in Paro gewesen.



Die letzten Tage

Am Montag der letzten Woche bin ich dann zurück in Beates Haus gezogen. Am Dienstag habe ich am Morgen Dorji zu einem Ausflug mit den Hunden zum Chumbu Kloster begleitet. 8 Uhr war Abfahrt. Das war Dorjis gewohnte Wanderstrecke und das merkte ich auch. Ich kam doch schon ins Schwitzen. Zum Mittagessen waren wir wieder im Haus. 


Junge Mönche beim Lernen


begehrtes Fotomotiv :D
Mittwoch habe ich dann meine Kolleginnen, mit denen ich auch zwei
Wochen zusammen gewohnt
hab, und einen Kollegen aus dem Büro zu einem Abschiedskaffeeklatsch eingeladen. Ich habe ein paar Kekse gekauft und eine selbstgemachte Biskuitrolle mit Schokocreme-Füllung gebacken. Aufgrund des Zutatenmangels in Bhutan kamen nicht sonderlich viele Rezepte in die engere Auswahl…

Beate spendierte guten Bohnenkaffee aus Deutschland, den ein paar Gäste kurz vorher mitgebracht hatten. Ich bat die Haushälterin von Beate, mir eine traditionelle Kira (Nationaltracht) auszuleihen. Wir hatten einen schönen letzten gemeinsamen Nachmittag. Ich schenkte den Mädels noch einen Pürierstab und Beate eine Blume für ihr neues Haus (die hatte ich einer älteren Dame aus ihrem Garten abgekauft, Baumärkte oder Blumenläden gibt’s nicht in Paro). 

Meine Kolleginnen
Beate und ich
 
Am Donnerstag 11.50 startete mein Flieger nach Delhi. Dort musste ich dann 12,75 Stunden totschlagen bevor es weiter über Doha nach Frankfurt ging. 12,75 Stunden mit 45 Minuten gratis Internet, was auch erst nicht funktionierte und unangenehm erhöhte Dauerbedudelung mit indischen Liedern machte den Aufenthalt nicht ganz so angenehm. Da muss man eben die Gepäck-Traktoren beim Verladen beobachten…

Jetzt bin ich zurück in Deutschland und bereit für neue Abenteuer. Das aktuelle heißt: einen neuen Job finden.

To be continued.


Die pausierende Weltenbummlerin

Caro 


Sonstige Gepflogenheiten in Bhutan:

  • Statt einem MHD steht auf Produkten das Herstellungsdatum und wie lange es ab dann haltbar ist
  • Männer und Frauen sowie Nach-und Vornamen sind nicht zwingend geschlechterspezifisch und können bunt gemixt sein. Des einen Vornamen ist des anderen Nachnamen, Sonam und Tshering können sowohl weibliche als auch männliche Vor- und Nachnamen sein 
  •  jeder Name hat eine Bedeutung, Nurbu Tshering bspw. „Perle“ und „Langes Leben“
  • die kleinste Währngseinheit, 1 Ngultrum, wird selten als Wechselgeld ausgegeben. Stattdessen gibt´s im Supermarkt einen Kaugummi dafür
  • ärztliche Versorgung für Mensch und Tier ist kostenlos
  • für verheiratete Paare gibt es kein Zeichen für die Ehe (wie in Dtl. bspw. der Ehering)