"Jeder Mensch bekommt zu seiner Geburt die Welt geschenkt. Die ganze Welt. Aber die meisten von uns haben noch nicht einmal das Geschenkband berührt, geschweige denn hineingeschaut."

Montag, 7. November 2022

Kanada - big city life (Quebec)

Meine mit hoher Wahrscheinlichkeit vorerst letzte per-Anhalter-Aktion: Marie, die Dame, die mich aus Tadoussac mit nach Quebec mitnahm, setzte mich in einem Shoppingcenter etwas außerhalb der Stadt ab. Von dort brauchte ich noch einmal etwa 45 Minuten mit dem Bus zu meinem nächsten Couchsurfing Gastgeber Adil. Da ich nach der längeren Reise etwas hungrig war, ging ich mit Sack und Pack noch in einen Supermarkt und hab eine Tiefkühlpizza geholt, was ich dann bei Adil gegessen hab (er wollte nix).

Quebec 

Über eine Facebookgruppe war ich seit ein paar Tagen mit Hannah aus Deutschland in Kontakt. Sie war auch in Quebec und wir verabredeten und direkt für den nächsten Tag, um den Montmorency-Wasserfall anzuschauen. Das Wetter meinte es gut mit uns. 

Da auch in Quebec die primäre Amtssprache Französisch ist, war der Weg zum Wasserfall mit dem Bus nicht ganz so einfach wie sonst. Aber zum Glück half uns Google Maps weiter :) 

Der Eintritt zum Areal kostete etwas mehr als 8 Dollar. Die kann man sich übrigens sparen, wenn man einfach auf der anderen Seite die Böschung runter läuft und unter der Brücke quasi durch den offen stehenden Hintereingang läuft. Das haben wir aber erst auf dem Rückweg bemerkt...

Blick auf Quebec

Der Wasserfall war recht beeindruckend. 83 Meter hoch (damit höher als die Niagarafälle) und man konnte quasi fast einmal rings herum laufen. Vor den Fällen führten knapp 500 Stufen an einer Felswand entlang. Für Hannah und mich reichte die Hälfte (gut, am Ende waren es auch 500, weil wir ja runter und wieder hoch gegangen sind :D) . 

Die Hängebrücke über den Fällen war für mich am beeindruckendsten. Diese Wasssermassen, diese Kraft. Ich konnte den Wassernebel auf meinem Gesicht spüren. Da wir nach kurzer Zeit soweit alles erkundet und wir beide nichts weiter vor hatten, machten Hannah und ich noch eine kleine Wanderung flussaufwärts (hier entdeckten wir auch den "geheimen" Eingang ;) ).

Abends ist Adil mit mir ins Stadtzentrum gefahren und wollte mir Quebec bei Nacht zeigen. Obwohl es Freitag war, war nichts los auf den Straßen. Es war aber auch schon relativ kalt. Da ich etwas ermüdet vom Tag war, hat mir die nächtliche Sightseeingtour für´s Erste gereicht. Außerdem wollten Adil und ich am nächsten Tag wandern gehen, da musste ich meine Energie sparen.

 










Da Adil auch relativ neu in der Stadt war, hatte ich das Glück, dass er viele Dinge selbst noch nicht gemacht oder gesehen hat und erkunden wollte. So an diesem Samstag den Jacques Cartier Nationalpark. In Halifax hatte ich bereits einen Jahrespass für alle Nationalparks Kanadas gekauft. Aber Quebec möchte ja nicht zu Kanada gehören und somit galt dieser hier nicht. Also noch einmal extra Eintritt zahlen...

Die Wanderung mit 11 Kilometern war ganz nett. Nicht super anspruchsvoll. Aber doch auch mit einigen Anstiegen. Adil war etwas eingeschüchtert von meiner "Wanderausrüstung" (Leggins und Wanderschuhe), was die Klamotten anging. Er trug nur Turnschuhe und eine Jeans. Aber ich sprach ihm Mut zu :D Normalerweise wäre ich so ja sonst auch rumgelaufen. Aber wenn man die Wanderschuhe schon mal den ganzen Weg mit nach Kanada genommen hat...

Ende Oktober ist die Landschaft natürlich nicht mehr so reizvoll, der goldene Herbst war vorbei. Aber es war schön, draußen unterwegs gewesen zu sein. Und ich hatte tiefgehende, kulturelle Gespräche mit Adil, der aus Marokko stammt. Nach dem Ausflug gab es eine Halal-Stärkung. 



Und auf einmal war es da - das Verlangen nach Nachtleben

Ich weiß gar nicht mehr, wodurch es ausgelöst wurde. Aber an diesem Abend hatte ich so richtig Lust auf Party. Ich glaube Adil hatte entsprechende Musik im Auto laufen. Er selbst war zu müde vom Tag. Ich aber hatte diese kleine Flamme in mir, die auf die Tanzfläche wollte. In Deutschland gehört das ja zu meinen Wochenendstandards. In Kanada war ich bisher noch nicht im Club.

Ich schaute nach, was so geht. Bei Facebook fand ich einige gute Partys, darunter viele im Halloween-Motto. Über die Couchsurfing-Hangouts-Funktion versuchte ich, spontan Gleichgesinnte für die Partynacht zu finden. Allerdings ohne Erfolg. Auch Hannah wollte nicht. 

Also ist das passiert, was noch nie zuvor jemals in meinem Leben passiert ist: Ich bin alleine losgezogen. Ein Couchsurfer aus Hawaii mit ukrainischen Wurzeln hatte sich kurz vorher mit mir getroffen und mich zur Party gefahren. Mitkommen wollte er allerdings nicht. Also stieg ich aus dem Auto aus und ging in die Kirche rein. Denn diese Halloweenparty fand genau dort statt. Etwas bizarr, aber sowas liebe ich ja. 












Der Eintritt war mit 25 Dollar kein Schnäppchen. Dafür waren die Getränkepreise ganz okay. Ich hatte das Gefühl, eine der älteren Partygäste zu sein. War mir aber egal. So lange die Musik und die Stimmung gut ist, ist mir fast alles andere egal. So auch, dass es noch relativ leer war. Es war 23 Uhr. Und ich eine der Wenigen ohne Kostüm. 

Ich kam relativ schnell mit ein paar Gästen ins Gespräch. Alle starteten in Französisch, konnten dann aber in Englisch fortführen. Außer diese eine Typ. Vielleicht Mitte 20, quatschte mich auf der Tanzfläche auf Französisch an. Ich entschuldigte mich sogar dafür, dass ich nur Englisch kann. Er meinte daraufhin, dass er auch Englisch sprechen könnte, er dies jedoch jeden Tag auf Arbeit machen müsste und er müde davon sei. Wenn ich in Quebec bin, sollte ich doch auch Französisch sprechen. Mit dieser Aussage hatte er mich sprachlos gemacht. Viel zu sagen gab es dann auch nicht mehr. Aber die Party war ansonsten echt mega!

Ein besonderer Nationalstolz

Ich wurde ja bereits davor gewarnt, dass die Menschen im französisch-sprachigen Teil Kanadas ihren eigenen Nationalstolz hätten. Dass ich diesen aber so kurz nacheinander und auch so direkt miterleben würde, darauf war ich nicht vorbereitet. Auch wurde ich selten in meinem Leben so deutlich ausgegrenzt. 

Ich bin etwas empfindlich, was Nationalstolz angeht. Stolz auf seine Herkunft zu sein ist ja etwas durchaus Positives. Aber das, was ich erlebt hab, hatte einen herben Beigeschmack. Ich kann deshalb die mitunter sehr drastische Haltung einiger frankophonen Bewohner der Provinz nicht wirklich nachvollziehen. Vor allem nicht, wenn es um einen Zeitraum geht, der über 200 Jahre her ist und sich manche Personen hier äußern, als wären sie persönlich von den Briten ihrer Kultur beraubt worden. Auch bei einer Führung im Parlament die folgenden Tage hab ich den Guide darauf angesprochen (woher dieser Nationalstolz rührt). Eine richtige, nachvollziehbare Antwort für mich bekam ich nicht. Doch dazu später mehr. 

das frittierte Eis

Da es noch Wochenende war und Adil nur am Wochenende Zeit hatte, pellte ich mich am Sonntag nach einer kurzen Nacht vom Sofa und fuhr mit meinem Gastgeber erst zu einem Sonntagsmarkt. Der war bis auf das frittierte Eis, was ich uns gekauft hab, eher durchschnittlich. Und danach haben wir die Ile d´Orleans besucht (eine vorgelagerte Insel), die nicht nur landschaftlich schön ist, sondern auch dafür bekannt, sehr alte Häuser aus Kolonialzeiten zu besitzen.  

Da wir kein festgelegtes Ziel hatten, fuhren wir erst einmal ein bisschen rum, gingen spazieren und haben am Ende nur die Hälfte der Insel mit dem Auto erkundet. Ich hätte sie natürlich einmal komplett umrundet, aber Adil war sehr der Meinung, dass es das nicht wert sei (obwohl er hier auch noch nie war). 

Blick auf Quebec

Nach dem Kurztrip gab es dann zu Hause deutsche Spekulatius, die ich hier in einem Laden gefunden hab. Etwas früh dran, aber da es dieses Jahr wohl nicht das gewöhnliche Überangebot deutscher Weihnachtsspezialitäten für mich geben wird, musste ich da zuschlagen :D 

Ich hab übrigens auch gelernt, wie und vor allem warum die Marokkaner den Tee immer in einer Distanz in ihr Glas gießen: Das stammt aus den Zeiten, als die Nomaden in der Wüste lebten. Durch die Distanz beim Einschenken bildet sich Schaum auf dem Tee. Der wiederum soll den Sand abfangen, sodass man nur den Schaum entfernen muss und dann trotzdem den Tee genießen kann. Clever :)

An Halloween hab ich mich für eine gratis Führung im Parlament eingeschrieben (man muss sich vorab online anmelden). Die Führung wird auf Französisch und Englisch durchgeführt. In meiner Mittagsgruppe war ich die einzige Person, die sich für Englisch angemeldet hat. Also hatte ich quasi eine Privatführung :) 

 

  





























Die war auch sehr interessant. Ich hab viel über die Kanadas Regierung und Politik erfahren. Quebec Stadt war - soweit ich mich richtig erinnere - ganz ganz früher sogar einmal die Hauptstadt in Hinblick des politischen Handelns, da die Stadt logistisch gut lag, bevor 1867 Ottawa zur Landeshauptstadt wurde. Da ich jedoch auch recht vergesslich bin, ist das andere Erlernte schon wieder weg :D 

Was in Erinnerung blieb, war, dass die Dame des Parlaments auf Nachfrage mir zu erklären versucht hat, warum der Bundesstaat Quebec so vehement auf sein Französisch plädiert und warum auch die Menschen heute noch, die von der englischen Kolonialisierung im 18. Jahrhundert direkt gar nicht mehr betroffen sind, trotzdem noch für ihre Wurzeln/ Herkunft/ Traditionen einstehen. Ich bin sehr dafür, genau das zu bewahren. Jedoch mit einer Person nicht zu reden, weil sie nicht die gleiche Sprache spricht (man aber eine weitere als gemeinsame Basis hätte)...das ist mir zu viel. Genauso wie der Spruch "Je me souviens" ("ich erinnere mich") auf den Kennzeichen der Quebecer. 

Justin Trudeau ist mir jedenfalls nicht über den Weg gelaufen - der ist nämlich wenn dann im Parlament in Ottawa unterwegs ;)

Typisch Kanada!?

Die restlichen Tage bin ich von der Wohnung meines Gastgebers 1,5 Stunden zur Innenstadt gelaufen und hab mir dort dann noch die Altstadt angeschaut. Die ist wirklich hübsch! Und zwar so schön, dass ich extra lange rumgetrödelt bin und die Zeit totgeschlagen hab, um im Dunkeln noch einmal zurückzukehren. 


klassisch
Pilz-Variante

Und ich hab das erste Mal in meinem Leben Poutine gegessen. Poutine - das sind Pommes mit Bratensoße und Käsekrümeln. Klingt etwas ekelig für mich. Und ich war mir auch sicher: Entweder liebe ich es oder hasse es! Da mir diverse Leute gesagt haben, dass es in Quebec die beste Poutine Kanadas gibt, habe ich mir dieses Vergnügen bis heute aufgespart. Und dann war es soweit. Okay, ich muss zugeben, dass ich zum Start eine Abwandlung einer Poutine gegessen hab (statt Pommes Kartoffelwürfel und statt einfacher Bratensoße eine raffinierte Kombi aus Champignons) und dazu geschmolzener Räucherkäse. Das war meeeeeegaaaa! Generalprobe bestanden. Kurz darauf gab es daher für mich auch das Original...und ich liebe es! 

Poutine ist ja eine der wenigen Dinge, die das recht junge Land als typisch kanadisch bezeichnen kann. Erstmalig wohl in den 1950ern bekannt geworden, heutzutage hat es das "Gericht" sogar in internationale Fastfood-Ketten in Kanada geschafft. Und diverse Male in meinen Magen ;) 

Nach knapp einer Woche hatte ich dann das Gefühl, genug gesehen und entdeckt zu haben und bin weiter nach Montréal. Zumindest war das der Plan. Doch im Bus Richtung Treffpunkt für die Mitfahrgelegenheit sitzend, rief mich der Fahrer an und meinte, er hätte sich im Tag geirrt...Im nächsten Eintrag erfahrt ihr dann, ob ich überhaupt weggekommen bin :D 

Allgemeine Feststellungen:

-Seit ich die Küstenregion verlassen hab (ab etwa dem Furillon Nationalpark), gibt es keine gratis Hygieneartikel mehr in den Damentoiletten.

-Im Gegensatz zu den überfreundlichen Menschen in Halifax machen Autofahrer in Quebec und Montreal keinen Platz mehr für Passanten. Nicht mal auf Gehwegen oder Fußgängerübewegen. Also quasi wie in Deutschland :P Die Hupe kommt tendenziell auch eher einmal mehr als zu wenig zum Einsatz. 

-ich weiß nicht, warum mir das aufgefallen ist...aber in Kanada  gibt´s echt sehr wenige rothaarige Menschen! 

-genauso wenig wie Graffiti an Hauswänden oder den öffentlichen Verkehrsmitteln 


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