"Jeder Mensch bekommt zu seiner Geburt die Welt geschenkt. Die ganze Welt. Aber die meisten von uns haben noch nicht einmal das Geschenkband berührt, geschweige denn hineingeschaut."

Montag, 17. Oktober 2022

Kanada - Ausflug, Auftritt und Alltagsabenteuer (Cape Breton, Truro, PEI)

Halifax hat mir echt gut gefallen. Eine überschaubare aber dennoch sehr nette Stadt, um das Abenteuer Kanada zu starten. Und die Leute hier...alle so nett und gesprächig! Ich wollte vor allem im Osten des Landes starten, um hier den Indian Summer mitzuerleben. 

Und dieser soll besonders gut auf Cape Breton zu sehen sein. Und alle Einheimischen, mit denen ich über meine Reise gesprochen hab, haben so von dort geschwärmt! Also musste ich auch unbedingt hin. Da die Mietwagen- und Unterkunftspreise hier echt gut Geld kosten, hab ich mir also zum Ziel gesetzt, Mitreisende zu finden. In Gesellschaft ist es meist eh viel lustiger :) 

Das hat sich allerdings gar nicht so einfach gestaltet, weil anscheinend aktuell nicht so viele internationale Reisende im Osten Kanadas im Vergleich zum Westen unterwegs sind. Also hab ich alle Kanäle aktiviert, auf denen ich so unterwegs bin: Postings in Facebook-Reisegruppen, Couchsurfing und sogar im Hostel, in dem ich zwei Tage schlief, hab ich einen Aushang gemacht. 

Am Ende hab ich drei Mitreisende gefunden, die ich dann zwei Tage vor dem Start des Kurztrips auch persönlich in Halifax kennenlernte. Mit Saskia, Fabio und Loic sollte der Trip starten. Nachdem wir den Ausflug noch einmal um zwei Tage verschoben haben (Hurrikan Fiona hatte seine Spuren hinterlassen), ging es nun am 30. September dann endlich los.

Pünktlich 8 Uhr haben wir uns alle bei schönstem Wetter bei der Autovermietung getroffen. Ich war froh, dass Loic sich noch als Fahrer anbot, denn Fabio und Saskia wollten nicht fahren...Und der Trip hat viel Fahrerei beinhaltet :D

Sobald wir auf die Insel gefahren sind, haben wir uns alle schon über das verfärbte Laub gefreut, obwohl wir diesbezüglich ein bisschen zu früh dran waren. Auf der Agenda für heute stand die Anfahrt auf die Insel, der Gypsum Mine Walk sowie der bekannte Skyline Trail. Straffes Programm, aber wir wollten ja auch viel sehen in der Zeit, die wir hatten. Irgendwie dauerte alles etwas länger, als ich kalkuliert hab und mit ein paar Anmerkungen diesbezüglich (dass wir die Zeit im Auge behalten sollten), bekam ich auch gleich den Stempel als Tourguide verpasst. Dass sollte sich am nächsten Tag aber als wertvoll herausstellen...


Die erste Enttäuschung 

Der Gypsum Mine Walk war zwar recht kurz, dafür aber auch echt notwendig, hatten wir zu dem Zeitpunkt knapp 400 Kilometer und 4h Fahrzeit hinter uns. Viel Zeit vor Ort war nicht drin, wollten wir noch den Skyline Walk machen, der mit 2-3 Stunden kalkuliert wird. 























Daraus wurde aber leider nichts, denn am Eingang zum Park standen Nationalpark-Angestellte, die den Zugang verweigerten. Wir haben mit denen gequatscht und da war leider nichts zu machen. Dafür haben sie uns alternative Wanderwege angepriesen, die nicht Teil des Nationalparks waren und daher auch nicht gesperrt. 

Schade! Hatte Fabio doch erst vor kurzem einen Reisenden getroffen, der den Skyline Trail kurz nach Fiona gemacht hat. Da gab es die offizielle Sperrung anscheinend noch nicht...Ich war zugegebenermaßen echt geknickt. Ich wollte Cape Breton vor allem wegen der bunten Wälder sehen, aber auch den Skyline und den Franey Trail machen. Und beide liegen im Nationalpark und waren gesperrt. 

Wir entschieden uns, erst einmal in der Unterkunft einzuchecken und dann weiterzusehen. Der Inhaber war super nett und empfahl uns, den nahegelegenen Hausberg zu besteigen. Die Aussicht sei noch schöner, als auf dem Skyline Trail. Na mal schauen. Wir würden den Pfad zwischen Kindergarten und Feuerwehr an einem großen Stein finden. Haben wir aber nicht. Die Zeit (oder eher das Sonnenlicht) rannte etwas davon und wir fragten einen Anwohner. Dann haben wir den Weg entdeckt und sind den Berg hoch gekraxelt. 

der riesige Stein...

Während die Jungs noch weiter die Umgebung erkundeten, hab ich mit Saskia den Ausblick genossen. Sie ist durchweg optimistisch und hatte mir auf der Fahrt zur Unterkunft versucht, den geschlossenen Trail irgendwie schön zu reden. Gelang ihr nicht wirklich. Aber mit der Aussicht hier oben war ich dann doch besänftigt ;) Ob sie allerdings schöner als die vom Skyline Trail ist, kann ich leider nicht beurteilen :D 


Abends sind wir noch etwas essen gegangen und meine travel buddies waren so sweet und haben mich als Dankeschön für die Planung und Organisation des Trips auf mein Essen eingeladen. Das fand ich wirklich sehr sehr nett und toll. Klar haben sie sich auch vorher schon dafür bedankt, aber das war noch einmal eine ganz andere Art der Wertschätzung und ich hab mich richtig richtig doll darüber gefreut. Noch viel mehr über die Konstellation der Gruppe, denn die Gruppendynamik ist echt toll und so sind wir am Ende auch in zwei Doppelbetten in einem Zimmer zu Bett gegangen. 

Es läuft weiterhin nicht alles nach Plan 

Am nächsten Tag sind wir zunächst planmäßig zum Meer, in der Hoffnung eine Waltour würde stattfinden (hatte am Abend zuvor noch versucht, diverse Anbieter zu kontaktieren. Dies war aufgrund des fehlenden Empfangs und aussehenden Mailantworten nicht sehr erfolgreich. Allerdings wussten wir, zu welchen Uhrzeiten die Schiffe ablegen). Mit uns wartete ein älteres Ehepaar, ebenfalls vergeblich. 

Es kam dann jemand angefahren, der uns mitteilte, dass das Meer zu stürmisch sei und an diesem Wochenende keine Touren stattfinden würden. Immerhin eine Gewissheit. Zum Glück habe ich auf Brier Island schon Wale gesehen und will das auch noch an anderen Stellen Kanadas versuchen. Ansonsten wäre ich wahrscheinlich etwas enttäuschter gewesen ;) 

Dann haben wir etwas umdisponiert, weil es ja sehr unwahrscheinlich war, dass der Franey Trail begehbar ist. Stattdessen haben wir den Sugar Loaf Trail in Angriff genommen, der uns von den Parkwächtern empfohlen wurde. 

Der Weg war echt nett. Am Gipfel war ein Gästebuch, in das uns Loic mit seinen Karikaturen verewigte. Die Aussicht war schön. Aber vor allem hier war deutlich sichtbar, dass der Wald durch den Hurrikan Schaden genommen hat. Viele Bäume waren bereits kahl oder durch die Stürme waren die Blätter einfach verwelkt, anstatt sich zu verfärben. Auch waren viele Bäume umgefallen. An Stelle eines bunten Blättermeers blickten wir eher auf eintönige Bergkuppen. Der Ausblick war trotzdem schön und Saskia hat Recht: Immer das Beste aus der Situation machen ;)

Kurzer Zwischenstopp am White Point. Weiß ehrlich gesagt nicht, warum der so gehypt wird. Ist halt ein nettes Stück Küste, aber für mich mehr nicht :D 

Auch dieser Tag zog mal wieder schneller ins Land, als geplant. Wir waren recht spät dran, um den Franey Trail zu machen. Aber ganz wollte ich ihn noch nicht aufgeben. Die Gruppe hatte einen Hänger. Die Sugar Loaf Wanderung hat uns schon etwas Energie gefordert und das Fahren machte zusätzlich müde. Trotzdem behielt ich immer die Uhr im Blick und den Vorsatz inne, den Franey Trail nicht aufzugeben. Wobei ich mittlerweile damit wohl die Einzige im Auto war. 

Wir besprachen das nächste Vorhaben und einigten uns darauf, zum Franey Trail wenigstens hinzuschauen. Ggf. war der ja nicht von Rangern blockiert. War er. Aber die zwei Frauen vor Ort, mit denen wir sehr nett plauschten, sagten als allerletzten Satz "(...) aber in sechs Minuten wird hier niemand mehr sein". Das war mein Zeichen. Es war kurz vor 16 Uhr. Zu spät, um den ebenfalls mit 2-3 Stunden kalkulierten Weg komplett im Tageslicht zu schaffen. 

Wir fuhren erst einmal zu einem Kiosk (nachdem kein Café in der Nähe offen hatte) und stimmten ab. Ich war natürlich absolut dafür, den Weg zu beschreiten. Ich checkte online die Route und schlug vor, wenigstens bis zum ersten Aussichtspunkt zu schauen. Das wären 30 Minuten Laufweg und so wäre es doch ein Kompromiss? Zum Glück ließen sich alle darauf ein, obwohl wir schon echt kaputt waren. 


Ein Lauf gegen die Zeit 

Wie erwartet war niemand mehr vor Ort. Wir trafen auf dem Parkplatz relativ spontan noch Danny (den ich über Facebook kannte) und dessen Freundin, die sich uns anschließen wollten. Genauso wie Evan, einen Franzosen, der allein unterwegs war und im Park übernachten wollte. Der Wanderweg war bereits bestens aufgeräumt und begehbar. Zügigen Schrittes waren wir dann bald am ersten Aussichtspunkt und mein Ehrgeiz packte mich. Auf der Karte sah ich, dass der nächste Aussichtspunkt ebenfalls keine 2 km entfernt war. Wir stimmten ab. Saskia, Danny und dessen Freundin kehrten um. Loic, Fabio, Evan und ich wollten es durchziehen. 


Der Weg war zum Glück nicht so beschwerlich wie der vom Sugar Loaf (dort war wesentlich mehr verwüstet). Trotzdem gut anstrengend. Wir haben es dann im letzten Sonnenlicht zum zweiten Punkt geschafft, der auch etwa die Hälfte der Wanderung war. Ich hab mich so gefreut, denn die Aussicht war einfach atemberaubend. In weiter Ferne das Meer, unter dir die Wälder. Meeeeega!!! Euphorie. Und immer wieder der Blick auf die Uhr. 

Lange Zeit zum Genießen hatten wir leider nicht, wenn wir nicht in kompletter Dunkelheit den Rückweg antreten wollten. Der Weg machte uns diesbezüglich eher weniger Sorgen als die Tiere, auf die wir stoßen könnten...

Kurz nachdem wir Evan verabschiedet hatten und umdrehten, fragte ich die Jungs, wie viel Akku sie am Handy noch hätten. Denn meiner war bei 1 % und wenn es hart auf hart kommt, wäre eine Lichtquelle ja nicht ganz verkehrt. Loic hatte 12 Prozent und Fabio führte mit 26 - hatte allerdings keine Taschenlampe am Handy. Großartig, wie vorbereitet wir waren... Wir sind wirklich sehr sehr schnell wieder bergab gelaufen. Am Ende kamen wir kurz nach 19 Uhr am Parkplatz an. Da war es schon echt dunkel. Aber der letzte Teil des Weges war sehr sehr leicht und eigentlich auch fast rollstuhlgeeignet - also keine große Stolperfalle. 









Aber hey, am Ende hatte sich offensichtlich doch gelohnt, dass ich auch heute ab und an (in den Augen der anderen) gestresst hab, indem ich auf den Zeitplan verwies. Am Ende bedankte ich bedankte mich bei allen, dass die mitgezogen haben und wir diese tolle Eindrücke erleben konnten! 

In der zweiten Unterkunft angekommen, kochten wir alle zusammen Nudeln mit Schinken und Ei im Wohnwagen von Danny. Das war ein toller Tagesabschluss! Und die Unterkunft war auch cool, wie in einer Jugendherberge. 


Sydney

Am nächsten Tag stand die ewig lange Rückfahrt an, die wir durch Zwischenhalte in Sydney und Louisburg (die Festung war leider ebenfalls noch wegen Sturmschäden geschlossen) auflockern wollten. 

Sicherer Hafen oder neues Abenteuer?

Mein Plan war eigentlich, die Gruppe in Truro zu verlassen und dann meine Reise fortzuführen. Deshalb hatte ich auch schon meinen Backpack mitgenommen. Doch mein Plan kam etwas ins Schwanken, weil Truro nur eine Zwischenstation für Prince Edward Island sein sollte. 

Diese Insel hat es ebenfalls sehr stark erwischt und alle Couchsurfing-Hosts in der Hauptstadt Charlottetown, die ich anschrieb, antworteten entweder nicht oder sagten ab, weil die Umstände gerade nicht die besten wären. Ich musste mich nun also entscheiden, ob ich nicht doch besser mit zurück nach Halifax fahren sollte...da könnte ich dann noch ein paar Tage arbeiten und Geld verdienen. Eine Unterkunft hatte ich aber auch nicht sicher... 

Oder erst einmal nach Truro fahren und dann weitersehen. Dort hatte ich einen Schlafplatz sicher. So sehr ich Halifax, die Menschen dort und das Erlebte liebte und auch der Gedanke, diesen Trip geschlossen mit meiner mittlerweile sehr lieb gewonnenen Reisegruppe zu beenden auch sehr verlockend war...  so entschied ich mich letztendlich doch für die Weiterreise. Denn auch wenn ich ein Jahr Zeit hab...Kanada ist das zweitgrößte Land der Welt, der Winter steht vor der Tür und meine Neugier ist ungebrochen! 

Also verabschiedete ich mich leicht mit einem weinenden und einem lachenden Auge von der Gruppe in Truro, in der Hoffnung, alle bald wiederzusehen! 

Kostenpunkt für den Cape-Breton-Trip:

  • 148.50 CAD für Sprit (1.69 CAD pro Liter)
  • 141.80 für die erste Unterkunft
  • 108 für die zweite
  • 30 Dollar für Bettwäsche
  • 263 Dollar Automiete. Geteilt durch 4 waren es etwa 173 Dollar pro Person - echt günstig =) 

Aus dem Auto auf die Bühne

ein Haus in Truro

In Truro wartete Humphrey auf mich. Er war der einzig aktive Couchsurfinghost vor Ort. Truro ist jetzt auch nicht wirklich einen Stopp wert. Es hat zwar einen coolen Park, der war aber ebenfalls wegen Fiona geschlossen. 

Es war Sonntag Abend und an Sonntagen ist Humphrey der Host einer Karaoke-Veranstaltung im Ort. Und ich Teil dieser. Ermüdet vom Kurztrip hab ich mich dennoch dazu entschieden, mit dorthin zu schauen (wie Saskia in der Kürze der Zeit gut erkannt hab, tendiere ich zur "fomo", der "fear of missing out" - also der Angst, etwas zu verpassen...ich nenne es lieber unternehmungslustig :P). Zu Beginn gegen 21 Uhr war noch nicht viel los. Aber Humphrey meinte, dass 23 Uhr die Bude voll sei. So lang wollte ich eigentlich nicht bleiben...Auch die vielen Countrylieder der Interpreten fesselten mich nicht. 

Ich genehmigte mir einen Gin Tonic, der nach dem anstrengenden Tag besonders gut geschmeckt hat ;) Humphrey stellte mir dann einen zweiten hin und so geschah es, dass ich dann irgendwann mit "Wonderwall" auf der Bühne landete. Es war nicht meine erste Karaoke-Erfahrung. Jedoch die erste, bei der ich allein performte. 

Trotz großer Klappe bin ich keine Rampensau. Es hat einen Grund, warum ich mich für eine Karriere neben und nicht vor der Kamera entschieden hab ;) Aber manchmal muss man eben einfach über seinen Schatten springen und Dinge erleben. Und wenn das auch mit zitternden Händen war.

Das Publikum (mittlerweile war der Laden wirklich voll) war echt mega. Ich würde sagen, finanziell eher schwächer aufgestellt (Humphrey bezeichnete den Laden selbst als "shady"). Dafür auch hier herzallerliebst. Ich kam sehr schnell ins Gespräch mit den Leuten. Die Frauen haben sich zum Teil aufgepimpt, als hofften sie auf die große Entdeckung. Es hat mich vermuten lassen, dass dieser Auftritt am Sonntag das Highlight ihrer Woche ist und sonst hier (um die Jahreszeit) wohl nicht viel geht. 

Die Leute stimmten mit ein und so sang der ganze Raum "Wonderwall" mit. Am Ende gab es einen riesigen Applaus und ich schämte mich fast dafür (so gut war ich wirklich nicht - haha). Humphrey musste noch bis zum Ende 2 Uhr bleiben, ich machte mich nach dem persönlichen Höhepunkt nach Hause. 

mich wieder mal beliebt gemacht ;) 



Oops I did it again 

Ich schlief auf einer Luftmatratze im Wohnzimmer. Am nächsten Morgen stand ein fremder Kerl vor mir. Wir beide waren jeweils vom anderen überrascht. Er macht hier sauber und wusste nicht, dass ich da bin. Andersrum genauso. 

Wir kamen ins Gespräch, er war ja quasi ein Kollege (haha). Chander, 21, Holländer und nun mit Ehefrau in Truro lebend. Offiziell hat er trotz einheimischer Frau nur ein Touri-Visum und verlängert das immer wieder auf halb legale Weise. Dürfte also weder hier arbeiten noch Auto fahren. Macht trotzdem beides und so ist es irgendwie auch nicht verwunderlich, dass wir beide im offiziell noch gesperrtem Victoria-Park landeten. Eine super komische Konstellation, wie ich finde. Aber Chander schien sehr einsam. Bis auf seine Frau, die sehr viel arbeitete und nicht sonderlich aktiv war, hatte er nicht viele soziale Kontakte. Er sagte mir das genau so und fragte, ob wir zusammen was unternehmen könnten. [Chander lernte seine 5 Jahre ältere Frau vor 3 Jahren online beim Minecraft-Zocken kennen, aber das ist eine andere Geschichte].

Und so holte er mich nach seiner Arbeit ab und wir erkundeten den Victoria-Park. Oder das, was davon übrig blieb. Hatte ja auf Cape Breton auch halbwegs geklappt... Hier war die Verwüstung auch noch deutlich zu sehen. Die Pfade waren von umgefallenen Bäumen blockiert. Wir kämpften uns soweit vor, wie es ging. Aber an einem Punkt war dann auch für mich Schluss. Nicht um jeden Preis! Auf dem Rückweg zum Auto trafen wir auf andere Bewohner, die uns einen anderen Weg zum Wasserfall empfahlen und den wir dann auch einschlugen. 







Die ganzen drei Stunden hat der arme Junge vor mir eigentlich nur über sein schlechtes Leben und die schlechten Seiten seiner Beziehung geklagt. Er tat mir Leid. So versuchte ich, ihm Optimismus und Lebenstipps mit auf den Weg zu geben. Und er gab mir im Gegenzug den Mut, den Park auch in diesem Zustand zu erkunden. 

Mittlerweile hatte sich Chanders Frau gemeldet und wartete an seinem Auto auf uns. Die Gute schien diese Kombi wohl genauso komisch zu finden wie ich... aber war super nett, als Chander und ich am Auto ankamen. Sie fuhren mich noch zum Supermarkt und dann verabschiedeten wir uns. Am Abend schrieb mir Chander, dass mit seiner Frau alles wieder gut sei. Ich freute mich für ihn. 

Mit Humphrey hatte ich dann noch ein afrikanisch-deutsches Abendessen (er bereitete Fleisch, eine Art Polenta und Eiersalat zu, ich ein Kartoffelgratin. 

Am nächsten Tag durfte ich das Rad des Nachbarn ausleihen und bin einen Teil des Cobequid-Trails abgefahren. So nett das Angebot auch war, aber das Rad war mit meinem Körper echt nicht kompatibel. Und so war die Radtour eher ein Workout gemixt mit einer Folterung als eine spaßige Angelegenheit :D

Ich hatte immer noch keinen Gastgeber in Charlottetown gefunden und war schon fast daran, mich in ein teures Hotel einzuquartieren. Die Suche nach Mitreisenden für Prince Edward Island war nämlich dieses Mal nicht erfolgreich. 

Auf einmal schoss mir die Idee in den Kopf, dass ich ja auch außerhalb der Hauptstadt (wäre geografisch super für Ausflüge gewesen, da zentral) nach einem Gastgeber suchen kann. Und von heute auf morgen hab ich Blaine in North Rustico angefragt und der hat auch spontan zugesagt. Und ich glaube ja, dass alles aus einem Grund passiert - etwas Besseres hätte mir wohl nicht passieren können.

Alltagsabenteuer 


Blaine hat mir zugesagt, obwohl auch er noch mit den Schäden vom Hurrikan zu tun hat. Sein Haus steht in North Rustico, direkt am Meer und die Sturmwellen haben viele Dinge, die auf dem Grundstück und unter seinem Haus gelagert waren, mitgerissen. Klar war er auf den Sturm vorbereitet und hatte sogar seine Fenster mit Pappe abgeriegelt. 

Aber dass das Meer über den Wall bricht und zwei ganze Nachbar-Häuser auch mitriss, damit rechtete niemand. Zum Glück kam dabei kein Mensch ums Leben. 

Blaine holte mich vom Busbahnhof ab. Eigentlich wollte ich das erste Mal in Kanada bis nach Charlottetown trampen. Hat aber leider nicht geklappt, ist in der Provinz Nova Scotia auch nicht legal. Auf der anderen Straßenseite stand ein Polizeiauto. Vielleicht war das der Grund. Hab es aber auch nur ne Stunde versucht, dann fuhr mein Plan B los - ein Bus (66.45 CAD). Der einzige am Tag. Und ich wollte Blaine nicht warten lassen. 

Im Bus saßen nicht viele Leute. Vielleicht war ich sogar der einzige Tourist. Es war kein guter Zeitpunkt, die Insel zu besuchen. Und trotzdem war ich sehr dankbar, dass Couchsurfing mir dies ermöglichte. Was mir mit der Einfahrt auf die Insel auffiel, war, dass noch viele Arbeiten an den Stromleitungen geschahen. Zu dem Zeitpunkt (11 Tage nach dem Sturm) waren noch über 8000 Haushalte auf der Insel ohne Strom. 

Wir hielten auf dem Weg zu seinem Haus bei einer Frau an, die gerade im Garten mit einem Gasherd kochte. Auch sie war noch ohne Strom und die Bäume lagen noch in ihrem Garten quer. Sie arbeitete für Blaine. 

Den ersten Tag auf Prince Edward Island verbrachte ich mit der Erkundung der Umgebung - in dem Fall einem Spaziergang am Strand. Ich fand einen angespülten Pullover mit Prince Edward Island-Aufdruck. Blaine erzählte mir am Vorabend, dass der Souvenirladen am Meer ebenfalls ausgespült wurde und noch viele Sachen irgendwo im und am Meer sind. 

Blaine selbst hat auch viel eingesammelt und in Absprache mit dem Eigentümer behalten. Denn dessen Versicherung deckt den Schaden ab. Ich entschied mich ebenfalls dafür, den Pullover zu behalten, brachte ihn zurück zum Haus. So habe ich mein erstes Souvenir aus Kanada erhalten.

Zurück zum Strand. Die Sonne schien, es war kein anderer Mensch da. Ich setzte mich hin, schaute aufs Meer und war glücklich. Vielleicht ist es doch genau richtig, jetzt hier der einzige Tourist zu sein. 







Haie gibt´s hier auch...





Von der Putzfrau zur Holzfällerin 


Schon am 2. Tag saß ich am Steuer eines Radladers und half meinem Gastgeber aus. Blaine ist Handwerker mit Leib und Seele. Er hat sein Haus selbst gebaut und erledigt für seine Kunden alles Mögliche, was gerade so ansteht. Aktuell waren das eben Aufräumarbeiten und Reparaturen.

Was für mich Abenteuer und Spaß bedeutete, war für ihn eine echte Hilfe, sodass er mich am Ende sogar dafür bezahlte. Ich half Blaine beim Anketten der zersägten Baumstämme, um diese mit dem Schaufellader auf einen Haufen zu stapeln. Ich fuhr einen zweiten Truck umher, räumte kleinere Äste aus dem Weg, kehrte Wege und half bei all den Dingen, die so anstanden. Ich hab auch zum ersten Mal in meinem Leben eine Kettensäge bedienen dürfen. *Yay!

Aber ich war ja nicht zum Arbeiten hier (das hatte ich von mir aus angeboten und auch nur, wenn mir danach war). Ich wollte die Insel erkunden, auch wenn hier ebenfalls die beliebtesten Strände gesperrt waren. Einen Samstag fuhr mich mein Gastgeber nach Charlottetown. Dort fand gerade ein Straßenfest statt. Charlottetown ist nett, aber ich hab es mit dem Haus am Meer doch wesentlich besser getroffen, wie ich finde :)




Eines Abends hat Blaine spontan seinen Jetski startklar gemacht, sodass wir zur anderen Uferseite fahren konnten. Wir haben dort nach Sachen gesucht, die ggf. von seinem Grundstück weggespült worden. Da unsere Gummistiefel nicht hoch genug waren, wir aber den Jetski wieder ins tiefere Wasser ziehen mussten, hat der MacGyver von Prince Edward, wie ich ihn nenne, kurzerhand sich was aus dem Treibgut zusammengebastelt- Was musste ich lachen! Hat aber geklappt und wir konnten wieder sicher und trockenen Fußes im Mondlicht zurückfahren. Wie ich solche spontanen Aktionen liebe! Immer mit einer kleinen Portion Adrenalin.
Treibgut...
  


Ich lernte nicht nur Blaine und dessen Leben kennen, sondern auch sein soziales Umfeld. Anne, die 81-Jährige Bekannte von Blaine, versorgt ihn und gefühlt das halbe Dorf mit selbstgebackenen Köstlichkeiten. So war sie zu Besuch und wir verstanden uns gut. 

Deshalb unternahm Anne einen Tagesausflug mit mir. Wir erkundeten mit ihrem Auto die Ostküste der Insel. Unter anderem den Basin Head Provincial Park, der nicht nur schön ist...sondern dessen Strand auch durch den hohen Mineralgehalt "singing sands" genannt wird (weil er Töne von sich gibt). 

Basin Head Park

Panmure Island


Cape Bear



Anne hat mich echt umgehauen. Nicht nur, wie fit sie ist und auch auf Zack (modisch auch up to date). Nein, ihre Ansichten, Weisheiten und Lebensgeschichte war echt beeindruckend. Ich kann jetzt natürlich nicht alles wiedergeben, was sie mir in zehn Stunden erzählt hat...aber sie ist Mutter von fünf Kindern, hat ihren Mann über alles geliebt (vor zwei Jahren verstorben, ihr kamen die Tränen, als sie von ihm erzählte) und hat sich dafür entschieden, nach einem Jahr Trauer sich eher dem Leben, was ihr noch bleibt, zu widmen, als in Trauer und Kummer unterzugehen. Und in dem Ort zu bleiben, den sie so liebt.

Selbst wenn manche Bewohner North Rusticos sie auch nach 50 Jahren des Hierlebens nicht gleichwertig wie eine auf der Insel geborene Person behandeln. Soetwas verstehe ich nicht. 
Was mir aber auch auffiel war, dass ich die Fragen, die sie mir stellte, an einer Hand abzählen konnte...

Born to be wild 


Einen anderen Tag durfte ich mir das motorisierte Rad von Blaine, Marke Eigenbau, ausleihen. Er gab morgens kurz nach Sonnenaufgang eine schnelle Einweisung, bevor er arbeiten musste. Im Prinzip war die Bedienung recht einfach: So lange in die Pedale treten, bis man schnell genug ist. Gleichzeitig links die Kupplung anziehen. Wenn die Geschwindigkeit stimmt, links loslassen und rechts Gas geben. Bis 40km/h soll die Rakete schaffen. Natürlich hab ich einen Helm getragen ;) Rückwirkend betrachtet wundere ich mich, warum ich damals mit 16 nicht genauso einfach die Simson meiner Freundin gefahren bin :D 

Ich wartete noch ein bisschen, bevor ich startete, weil es an dem Morgen echt kalt war (3 Grad). Das erste Mal, dass ich Handschuhe anzog! Anfänglich war ich etwas zögerlich (weil ich auch recht schnell einen Teil der normalen Straße benutzen musste). Aber schon nach ein paar Minuten hatte ich Vertrauen in mich und dem Vehikel. 
Ich hab mich dabei ertappt, wie breit ich grinsen musste, als ich auf dem Radweg bei schönstem Sonnenschein die Küste entlang fahren durfte. In meinem Kopf spielten die Lieder "born to be wild" und "on way or another". Und wieder hab ich mich so darüber gefreut, was ich alles Dank Couchsurfing und Fügung erleben durfte.  



Ziel war das elf Kilometer entfernte "Anne of Green Gables" Haus. Hier soll der Cousin der Autorin Lucy M. Montgomery gelebt haben und dieses Haus soll wohl die Autorin für den Schauplatz ihres Buches "Anne of Green Gables" inspiriert haben.

Ich kannte die Geschichte vorher nicht, aber hier ist sie DAS DING. Kurz: Ein Waisenmädchen kommt durch eine Verwechslung zu einer Familie, die in der Gegend lebte. Anne hat das schönste Leben und konnte ihr Glück gar nicht fassen. Ich hab mir eine Version des Films einen Abend zuvor auf Youtube und kann die Faszination für diesen Teil der Erde sehr nachvollziehen. 

Die Geschichte ist im englischsprachigen Raum in etwa so bekannt wie Pippi Langstrumpf in Deutschland. Interessant auch: Pippi Langstrumpf ist tatsächlich von "Anne of Green Gables" inspiriert, da es das Lieblingsbuch von Astrid Lindgren war. "Anne with an E" läuft übrigens auch bei Netflix ;) 

Die Fahrt zum Haus war dann aber tatsächlich doch spannender als das Haus selbst. 

Dekadenz 

Eines Abends brachte ein Freund von Blaine gekochten Hummer vorbei. Es ist gerade Saison und die gibt es hier echt häufig. Beim Fischer zahlt man wohl so 8-9 Dollar pro 500 Gramm. Im Restaurant deutlich mehr ;) 

Ich liebe Fisch aber bei Seafood im Allgemeinen bin ich eher selektiv. Hummer hab ich schon mal gegessen und für gut befunden. Dieser allerdings hatte teilweise eine sehr feste Konsistenz. Blaine meinte, der sei wohl schon gestern oder am Vortag gekocht worden. 

Jedenfalls zu fest für mich. Ich hab nur einen Teil des einen Hummers gegessen. Blaine isst diesen nur noch einmal jährlich. Er ist damit aufgewachsen und hat sich quasi überfuttert. Das bedeutete am Ende, dass ein Hummer übrig war. Wir haben den am nächsten Tag mit "zur Baustelle" genommen, um ihn den Kollegen vor Ort anzubieten. Aber auch die wollten ihn nicht. Am Ende haben wir wirklich einen ganzen gekochten Hummer weggeworfen. Mein Herz blutete, aber ich konnte auch kein zweites Mal dieses Fleisch essen und selbst noch aus den Scheren pulen. Das war am Vortag schon ne Überwindung. 

Westcoast Baby


Die Ostküste hatte ich ja nun schon mit Anne erkundet. Blieb noch der Westen übrig. Anne war die kommenden Tage verhindert, sodass ich ein Auto mietete und selbst die Küste abfuhr. Denn obwohl ich die Gesellschaft von Anne sehr genoss...so hatte ich allein mehr Chancen, dort zu stoppen, wo ich wollte. Und dort zu bleiben, so lange ich wollte. 

Ich fuhr morgens vor der Arbeit mit Blaine nach Charlottetown und mietete für 110 CAD (inkl. Versicherung) ein Auto für einen Tag. 45 Dollar kamen später für´s Benzin dazu. Kein Schnäppchen...aber die Busse in diese Richtung der Insel fuhren nur zwei Mal täglich und so konnte ich nicht annähernd das erkunden, was ich wollte. Das war es mir wert. 

Das kleine Fischerdorf Victoria war meine erste Anlaufstelle. Doch der Ort schien bereits im Winterschlaf zu sein. Weiter nach Summerside. Hier hab ich bei der Parkplatzsuche durch Zufall ein Sushi All You Can Eat Restaurant gefunden. Und ich lieeeeeeebe Sushi und mein Lieblings-AYCE in Leipzig hatte nach Corona nicht wieder aufgemacht...Schon allein dafür hat sich der Ausflug gelohnt *haha
Victoria 

Summerside 



Zwischendurch hab ich noch an einem Kartoffelfeld gestoppt. Die Kartoffeln von PEI sollen besonders sein, da sie in der reich an Mineralen roten Erde wachsen. Da gerade Erntrezeit ist und die kleinen Knollen unbeachtet auf dem Feld verbleiben, hab ich mir da ein paar mitgenommen. Die Struktur ist fest und sie sind sehr hell. Schmecken auch gut aber ich könnte jetzt nicht behaupten, dass das die besten Kartoffeln meines Lebens waren (aber über diese Thematik hab ich zuvor auch nie nachgedacht :D). 

Irgendwie verging die Zeit dann schneller, als geplant. Kurzer Stopp am Westpoint und ein kleiner Spaziergang am Strand. Auch hier waren die Spuren Fionas noch deutlich zu erkennen. Dann weiter zum North Point. Es gibt ganz schön viele Leuchttürme hier! Ist mir direkt aufgefallen. Hab es mal gegoogelt: 61 sollen es sein. 
Westpoint
 

















Noch mehr als Leuchttürme gibt es hier aber Kirchen. 300 laut Google. Und 25 Golfplätze. Jetzt habt ihr vielleicht einen besseren Eindruck von der Insel :D  

Was mich noch geschockt hat an Infos war, dass die Nutzung der knapp 12,9 Kilometer langen Brücke zum Festland (eine der längsten der Welt!) Geld kostet. Und nicht gerade wenig: mit einem Auto muss man 50.25 CAD (etwa 37,70 Euro) bezahlen, wenn man die Insel verlassen will. Das gilt auch für dessen Bewohner (Anwohner haben keine Ausnahmeregel oder einen Rabatt). Zu Fuß oder mit dem Rad kommt man auch nicht drüber - aus "Sicherheitsgründen" und muss einen Shuttle bezahlen (4.75 für Fußgänger). 

Die Insulaner durften 1988 wohl darüber abstimmen, ob sie eine Brücke wollen oder die vorher dagewesene Fähre behalten. Blaine hat mir erzählt, dass man zu Hochzeiten, als es die Brücke noch nicht gab, schon mal stundenlang an dieser anstand, bevor man sie nutzen konnte.

Confederation Bridge

Nur 59,4 Prozent stimmten für die Brücke. 1997 wurde sie freigegeben. Der Bau kostete rund eine Milliarde kanadische Dollar. Eine Fährverbindung gibt es immer noch im Osten der Insel (ebenfalls gebührenpflichtig) sowie einen kleinen Flughafen. 

Zurück zum Trip: Mancherorts war ich gefühlt echt ewig lange allein auf der Straße, ohne Gegenverkehr. Gut, dass ich hier nicht getrampt bin :D Bis auf die komische Regel, auch an einer roten Ampel rechts abbiegen zu dürfen (so es der Verkehr erlaubt. Ausnahme bilden Montreal und Quebec, da ist das wohl verboten) und an einer Kreuzung mit Stoppschildern für alle Seiten in der Reihenfolge loszufahren, in der man ankam, kam ich mit dem Verkehr gut zurecht. 

North Point 
Es wurde langsam dunkel, sodass ich am Ende leider nicht die ganze Küste abfahren konnte und auch das Auto nicht mehr nach Charlottetown zurückbringen wollte. 450 Kilometer haben an dem Tag gereicht. 

Kleine Geschichte zum Schluss

Abends saßen Blaine und ich dann noch zusammen und ich hab ihm von meinem letzten Traum erzählt. Einen Albtraum. Ich gehe so gut wie angstfrei durchs Leben (zum Glück!). Doch eine Sache kriegt mich immer wieder: Die Angst vor Spinnen. Der Traum drehte sich um eine Spinne. Und natürlich hatte ich genau an diesem Abend ein solches Exemplar in meinem Zimmer. Zum Glück hat Blaine keine Angst und ich bat ihn, mir zu helfen (sein Staubsauger ist so ein fetter mit festem Beutel hinten dran. Kein Rohr - keine Hilfe). Er wollte die Spinne (fett und schwarz) mit den Fingern greifen und sie aus dem Zimmer tragen. Hat sie nicht erwischt. Sie fiel zu Boden UND WAR WEG. 

Leute, die eine Spinnenangst haben, können meine Situation vor Ort sicher gut nachvollziehen (ich soll jetzt in diesem Zimmer schlafen, in einem Bett, einen Meter von der Aufprallstelle der Spinne???). Blaine hingegen lachte nur, zuckte mit den Schultern, wünschte mir eine gute Nacht und verließ den Raum. 

In Blitzeseile bildete ich eine Spider-Task-Force. Schritt eins: Leichnahm suchen. IN MEINEN SACHEN. Erfolglos. Schritt zwei: Spurensuche. Erfolglos. Schritt 3: Beobachtung. Währenddessen ein innerer Kampf: Müdigkeit vs. Aufregung. Vernunft vs. Angst. Rationales Denken vs. Emotionen. Ich entschied mich, dieses Mal rational zu handeln, machte mich bettfertig und versuchte, zu schlafen. 

Die Blase meldete sich. Licht an, der Feind starrte mir direkt ins Auge. Hellwach. Schritt 4: Waffensuche. Ich entschied mich für eine Wischerkombi (aus Mangel an Alternativen). Schritt 5: Angriff. Mit meiner ganzen Kraft presste ich die Spinne in die Deckenecke. Der Wischaufsatz war zu soft. Der Feind zog sich zurück und rannte in den Kleiderschrank. Ich wackelte mit dem Wischstab noch etwas an dem davor hängenden Stoff. Das sollte wohl Drohung genug gewesen sein!

Zurück ins Bett, die Waffe sicher daneben platziert. Kurze Zeit später schreckte ich auf. Ich hatte erneut einen Traum (?) im Halbschlaf; dachte, dass eine Spinne übers Bett läuft - direkt neben meinem Kopfkissen. Hellwach. Licht an, Situation analysieren. Keine Spinne im Bett. Puuuuuuuh - durchatmen. Dafür wieder an der Decke. Das gleiche kleine Biest. 

Mutig öffnete ich die Zimmertür, griff nach dem Mob neben dem Bett, drückte den Gegner an die Deckenwand und wollte ihn dann über die Tür nach draußen befördern. An irgendeinem Punkt dieses Planes konnte der Feind abermals fliehen. Ich sah noch einen schwarzen Schatten auf dem Boden, aber die Spurensicherung war erfolglos. 

Kurz überlegt, ob ich einfach auf dem Sofa im Wohnzimmer schlafen sollte. Aber mich dann dagegen entschieden. Hoffentlich hatte die Spinne in dieser Nacht auch einen Albtraum von mir! :D 

Am nächsten Morgen erzählte ich Blaine, wie der Abend noch ausging. Er entschuldigte sich dann noch nachträglich bei mir, die Angst nicht ernst genug genommen zu haben. Das fand ich gut. Und ich versuche mich auch immer Schritt für Schritt mehr, die Angst zu überwinden. Gelingt mir mittlerweile besser. Ich schlafe immer noch im Raum mit der Spinne. 


Randnotiz:
Der erste Monat ist am 8. Oktober vorbei gewesen. Ich hab bisher etwa 1.200 CAD ausgegeben (inkl. zwei Kurztrips, ein Busticket und Handyvertrag und zwei Übernachtungen im Hostel) und 640 Dollar eingenommen. 

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