"Jeder Mensch bekommt zu seiner Geburt die Welt geschenkt. Die ganze Welt. Aber die meisten von uns haben noch nicht einmal das Geschenkband berührt, geschweige denn hineingeschaut."

Samstag, 8. Oktober 2022

Jetzt also Kanada (Halifax+Brier-Island)


Seit meinem Sabbatical in Neuseeland 2020 hab ich den Plan gefasst, noch einmal für längere Zeit ins Ausland zu gehen. Es gibt natürlich noch viele Länder, die ich sehen möchte. Aber nur noch wenige, in denen ich in meinem zarten Alter ein Work and Travel Jahr absolvieren kann. Wenn nicht überhaupt Kanada das letzte Land ist. Davon abgesehen habe ich bisher nur Gutes über die Kanadier gehört und auch die Landschaft reizt mich sehr. Dass die Lebenserhaltungskosten im Land sehr hoch sind...das sollte ich ja mit der Option des Arbeitens ausgleich können...

Dieser Gedanke wuchs also schon länger in meinem Kopf, aber Covid und das alltägliche Leben haben die Umsetzung dessen immer wieder verzögert. Irgendwann war es dann soweit und ich bewarb mich für das Visum. Ich war nicht sicher, ob ich es dieses Jahr überhaupt bekäme, weil nur eine gewisse Anzahl an W&T Visa an Deutsche pro Jahr herausgegeben wird. 

Dann ging alles ganz schnell


Die Bewerbung für dieses Visum war bisher die aufwändigste, die ich je gemacht hab: Fingerabdrücke in Berlin abgeben, ein Führungszeugnis auf Englisch besorgen, diverse Dokumente ausfüllen, Nachweise erbringen, Gebühren zahlen. Und doch fügte sich alles recht schnell und zwischen der Beantragung bis zur Zusage lagen gerade mal etwa sieben Wochen. 

Ich hatte die Zusage und die Erlaubnis, bis März 2023 einreisen zu können. In meinem Freundeskreis hatte ich bereits rumerzählt, dass ich im September 22 nach Kanada gehe, weil dieser Gedanke in meinem Kopf bereits so gefestigt war. Nur hatte mein Arbeitgeber davon noch nichts gehört... Da ich im Gefühl habe, dass es nicht bei diesem einen Jahr bleiben wird, hab ich mich entschieden, meinen Job zu kündigen und dafür die Freiheit zu haben, so lange wegzubleiben, wie ich will. Und ich wollte auch nicht, dass sich eine ähnliche Situation wie 2020 wiederholen könnte. Der bisher größte Schritt für mich in meiner beruflichen Laufbahn! Aber er fühlt sich richtig an. 

Nachdem alles in Deutschland geregelt war (Kündigung durch/ Untermieterin gefunden/ Wohnung leergeräumt/ alles an Bürokratie erledigt - Stress pur), bin ich am 10. September nach Halifax geflogen. Ich hab mich für den Osten des Landes entschieden, weil mir das ein Kanadier, den ich 2021 auf meiner Reise in Kolumbien getroffen hab, empfohlen hatte. Der Osten sei großartig, um die Farbvielfalt des Herbstes zu erleben. Und von Frankfurt gab es einen Direktflug nach Halifax für 360 Euro mit Condor. 

Und dann wurde es ernst 


Die letzten Wochen in Deutschland konnte ich (zum Glück!?) gar keinen richtigen Abschiedsschmerz empfinden. Klar gab es auch Tage, an denen ich echt traurig war, für ein ganzes Jahr meine Familie und Freunde zurückzulassen. Aber ich hatte so viel mit den Dingen rings herum zu tun, dass ich wie in einer Art Tunnel der Todo-Sachen war. Dafür überwog die Vorfreude umso mehr, wenn ich mal Zeit hatte, darüber nachzudenken. 

Die Organisation des ganzen Unterfangens hat irgendwie so viel Zeit in Anspruch genommen, dass ich dieses Mal gar keine Kapazitäten hatte, meine Reise zu planen, wie ich es sonst für gewöhnlich gern mache. [Okay, ich hab auch eine Woche vorher noch ein neues Handy gekauft und ein gebrauchtes Netbook geholt, damit ich euch weiterhin auf dem Laufenden halten kann...hätte ich vielleicht eher machen können :D ]

Das hat mich an und für sich irgendwann nicht mehr gestresst, denn ich wusste, ich hab ein Jahr Zeit. Aber die vielen Nachfragen der Außenstehenden, die ich nicht beantworten konnte...die haben mich unter Druck gesetzt. Ich hatte bis einen Tag vor Abflug nicht mal eine Unterkunft sicher. In Halifax gibt es nur ein Hostel - das war ausgebucht. Ein Airbnb startete ab 60 CAD (außerhalb der Stadt) und Couchsurfing lief auch nicht so. Aber auf die quasi letzte Minute sagte mir Jill von Couchsurfing doch noch zu und ich war seither optimistisch, dass einfach alles gut werden würde.

Mit 13.5 Kilo Rucksack (davon gefühlt 1/3 meine Winterjacke und die Wanderschuhe) startet meine bisher längste Reise. Und es fühlt sich gut an. 

Hallo Halifax 


Mit einer knappen Stunde Verspätung landeten wir in Halifax. Vorteil dabei war, dass niemand vor mir an der Immigration stand und ich von der Landung bis zur Busfahrt ins Stadtzentrum nur eine Stunde brauchte. Natürlich hatte ich ziemlichen Respekt vor dem Immigrations-Beamten, denn der bestimmt final darüber, ob ich das work&travel bekomme oder etwas fehlt. Aber dieser wollte nicht mal alle meine Unterlagen sehen, nur die Auslandskrankenversicherung und die Einladung für das Visum (die Aktivierung des Visums erfolgt quasi erst mit der Einreise an einer internationalen Grenze). 

Kurz alles kontrolliert und dann hielt ich offiziell die Erlaubnis in den Händen, jetzt ein Jahr in Kanada leben und arbeiten zu dürfen. Ein gutes Gefühl! 

Hier schlafe ich die ersten Nächte
Schnell noch Geld am Automaten gezogen und dann mit dem Bus in Zentrum (der fährt nur einmal die Stunde ab). Jill hatte mir bereits sehr genaue Anweisungen gegeben, wie ich zu ihr komme und sie blieb auch noch wach und wartete auf mich. Ein Sofa in einer eigenen Dachgeschoss-Etage warteten auf mich. Und ich war sehr froh darüber. 

Am nächsten Tag erkundete ich die Stadt - bei schönstem Wetter. Ich hätte eigentlich in kurzer Hose rumlaufen können. Jill empfahl mir das Café Dilly Dally und hier hab ich auch direkt mitbekommen, dass das Leben hier recht kostspielig wird. Ein Kaffee und eine Brotscheibe belegt mit Lachs für ca. 20 CAD (15 Euro). Das Tückische dabei ist, dass auf die ausgewiesenen Preise auf der Karte noch extra 15% Steuer kommen. Und bei manchen Sachen nochmal 2% Provinzsteuer. 

Ich nutze das perfekte Wetter für eine kleine Runde Inlineskating. Halifax hat eine runde Fläche, auf der man diverse Sachen (Rollschuh, Räder, Inliner) gratis ausleihen kann. Dann bin ich weiter ins Zentrum. Hab gleich mal typisch kanadische Spezialitäten (sogenannter "Beaver Tail" - ein in Fett gebackener Teig, der verschieden belegt wird) probiert und war dann im Park mit Jill verabredet. Dort spielt jeden Sonntag bei schönem Wetter eine Band. 







Wir sind dann noch was trinken gegangen und dann war mein erster Tag in Kanada auch schon fast wieder vorbei. 








Die nächsten Tage verbrachte ich mit weiteren Erkundungen (bspw. Fishermans Cove - echt idyllisch und mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen), erledigte bürokratische Gänge (lokale Handynummer besorgen, Bankkonto eröffnen, Sozialversicherungsnummer besorgen) und quartierte mich für 2 Nächte in das Backpackers Halifax Hostel ein, um andere Reisende zu treffen. 

Entscheidungen treffen 


Eigentlich hatte ich mir so gedacht, zeitnah nach meiner Ankunft ein Auto zu besorgen. Doch schon bei meiner anfänglichen Recherche in Deutschland wurde mir klar, dass es in Kanada nicht so einfach werden würde, wie in Deutschland. Jede Provinz hat mehr oder weniger eigene Regeln, was den Führerschein und die Versicherung betraf und auch verschiedene Steuersätze diesbezüglich. 

Nach ein bisschen Vor-Ort-Recherche, was sowohl die angebotenen Autos in der Gegend anging (nicht wirklich viele, da Halifax im Herbst nicht sehr voll mit Backpackern ist - die scheinen alle im Westen zu sein... zudem gelten die Autos aus dem Osten des Landes als weniger wertvoll, weil sie im Winter ne Menge Streusalz abbekommen und daher rostanfälliger sind), was die Versicherung des Autos betraf ( außerhalb der Provinz Nova Scotia zu fahren wird auch wieder komplizierter...) und den Dingen, die man sieht, wenn man Kanada via Auto durchquert (für mich ist da ne ganze Weile lang nichts von Interesse), hab ich mich letztendlich dagegen entschieden, mir im Osten ein Auto zu kaufen. 

Das wiederum brachte die Problematik mit sich, dass ich sehr stark in meinem Wirkungskreis eingeschränkt sein würde. Die Automieten hier sind auch echt happig, sodass man sich zwei Mal überlegt, wann und wohin man will. Dafür beruhigen die Spritpreise etwas (aktuell bei etwa 1.60 CAD pro Liter Benzin, Diesel bei 1.90). Und wer mich kennt, der weiß, dass ich gern so viel wie möglich erleben und sehen will. Busse fahren zwar, aber nur zwischen den größeren Orten und auch relativ kostspielig. 

Was ist also die Lösung? Gleichgesinnte finden und Kosten teilen! Gerade dafür wollte ich die zwei Nächte im Hostel wahrnehmen. 

Ein Hostel voller Kanadier 


So ganz ging mein Plan jedoch nicht auf, denn in meinem 5-Bett-Zimmer waren genau 4 Kanadierinnen und ich untergebracht. Und auch drei weitere Gäste, die ich aktiv ansprach, um mit denen ggf. gemeinsam Trips zu planen, waren Kanadier. An sich nichts Schlimmes (im Gegenteil, die sind alle voll nett hier!), nur blieben die halt alle nur ein paar Tage und die Aussicht auf einen Mitreisenden für die nächste Zeit war deshalb echt gering. Aber hey! Dafür waren das die zwei ruhigsten Nächte, die ich jemals in einem Hostel verbracht hab. Kein Schnarcher! Gleiche Schlafzeiten! Yay! 

Ich war allerdings schon gut in Facebook-Gruppen vernetzt und lernte dadurch Edesio kennen. Er ist Brasilianer, der seit ein paar Jahren in Kanada lebt. Und ich freundete mich mit Kate an, die in meinem Zimmer untergebracht war und der ich von meinen Plänen erzählte. Sie schien von einem Kurztrip nach Brier Island (dort kann man Wale sehen!) nicht abgeneigt und bot von sich aus an, ihre Pläne zu ändern und sich mir anzuschließen. Ich schaute also bereits nach Unterkünften und Automieten, als sich Edesio auf meinen Reiseaufruf in einer Kanada-Gruppe meldete und ebenfalls mitkommen wollte. 

Edesio hat ein Auto, was das ganze Vorhaben natürlich sehr viel einfacher gestaltet. Der Deal war, dass Kate und ich den Sprit zahlen und er dafür das Auto stellt. Deal! So konnten wir 200 CAD für das Mietauto sparen. 

Wir trafen uns alle gemeinsam im Hostel, um den Trip durchzusprechen, Buchungen zu machen und vor allem uns auch mal kennenzulernen. 




Der erste Roadtrip 


Keine fünf Tage nach meiner Ankunft saß ich 06.00 Uhr morgens in Edesios Auto auf dem Weg zu den Walen. Mein erster Kaffee der typisch kanadischen Kaffeekette "Tim Hortons" wurde mir von Kate spendiert. 





Nach etwa 3,5 Stunden Fahrt und zwei gratis Fährfahrten (bei einer bekamen wir eine kostenlose kleine Führung, weil ich den Angestellten gefragt hab, ob wir das Auto verlassen dürfen und er uns dies daraufhin anbot- wie nett!) waren wir bereits auf Brier Island. Hatten wir nicht erwartet, weshalb wir noch die Insel erkundeten, bevor die Waltour losging. 





Kate hatte uns bereits telefonisch für heute angemeldet, doch es war nicht sicher, ob die Tour stattfinden würde, weil die See recht stürmisch war. 

Doch das Glück war auf unserer Seite und der Kapitän wollte fahren. Wir wussten, dass es kalt werden würde (der Wind! Brrrrrr). Aber schon auf dem Schiff war es mir zu kalt, trotz 4-fachen Lagenlook. Edesio meinte, er hätte eine Decke im Auto. Die ging er dann holen. Wir hatten nicht damit gerechnet, dass es Bettdecken sein würden :D Die Leute haben geschaut und gelacht. Aber am Ende haben wir nicht gefroren und das ist doch das Wichtigste ;)


Nach etwa zwei Stunden sehr bewegender und nasser Fahrt, haben wir die ersten Tiere gesehen. Auf dem Boot war eine Stimmung voller Aufregung, Euphorie aber auch viele stille Stimmen, denn etwa die Hälfte der Passagiere musste Dank des Wellengangs kotzen. Meine Reisebuddies und ich blieben zum Glück verschont ;) Ich fand es auch beeindruckend, wieder mal Wale zu sehen. Aber ich hatte vorab auch Fotos von Edesio gesehen, der hier letztes Jahr um die Zeit war und das Meer war super ruhig und deshalb konnte das Boot ihnen auch so nahe kommen. Dieses Glück hatten wir dieses Mal nicht. Trotzdem hab ich die Tiere beim Abtauchen beobachten können und das hat mich auch mega glücklich gemacht. Gleich in der ersten Woche Kanada Wale sehen, das kann man doch nur glücklich sein ;) 






Nach etwa 4,5 Stunden war die Tour vorbei. Wir machten uns auf zur Unterkunft (selbst auf dem Weg dorthin haben wir an der Fähre einen Wal gesehen), die nochmal etwa eine Stunde entfernt lag (Bear River Millyard Recreation). Wir kamen im Dunkeln an, weil wir zuvor in Digby noch Abendessen waren. Ich hab die für die Gegend berühmten Jakobsmuscheln probiert. War ganz nett :) 



Am nächsten Tag ging es dann über Liverpool, Lunenburg und Peggys Cove zurück. Fast wären wir liegen geblieben, weil Edesio zu spät bekannt gab, dass sich das Benzin dem Ende neigt. Und die nächsten zwei Tankstellen, die wir ansteuerten, waren keine mehr. Doch zum Glück kamen wir dann gerade so an einer an und haben die Karre vollmachen können (das wäre mir nach Neuseeland nicht mehr passiert :P). 

irgendwo zwischendurch 

In Liverpool gab es nicht wirklich etwas zu sehen (außer die Robbe am Strand), aber es lag auf dem Weg. Lunenburg wird ja von vielen Reisenden gehypt, dass es solch ein tolles Örtchen sein soll...nunja. Ich, verwöhnt von tollen Altstädten Europas, sehe das etwas anders. Der Ort war nett, aber nicht sehr spektakulär... 





Am Leuchtturm in Peggys Cove waren wir bereits ein paar Tage vorher (ebenfalls spontan mit Edesio zum Sonnenuntergang schauen). Eigentlich haben wir hier nur gestoppt, damit Kate und ich die Toiletten benutzen konnten. Aber dann haben wir doch noch mal schnell ein paar Fotos gemacht. Es ist einfach zu schön hier :)
Dieser kleine Trip hat Kate und mich jeweils 50 Dollar für Sprit gekostet. Die Unterkunft kam 65 Dollar (geteilt durch 3) und für die Waltour gingen 57,50 Dollar drauf. 








Mein erster Job in Kanada! 


Die nächsten Tage wechselte ich ein paar Mal die Couchsurfinghosts. Und ich hatte immer Glück mit meinen Gastgeber. Weniger Glück hatte ich mit dem Wetter: Das wurde zunehmend schlechter, eine Regenfront kündigte sich an. Ich hab zwar - auch Dank meines Hosts Mark  auf Indoor-Aktivitäten wie Bouldern (erstes Mal in meinem Leben!) ausweichen können, aber das mache ich ja auch nicht jeden Tag... 

Ich beschloss, anstatt weiterzureisen, nach einem Job vor Ort zu suchen, den ich etwa eine Woche machen könnte. Denn ich hatte noch einige Todos auf meiner Nova-Scotia-Liste und fühlte mich hier auch echt wohl... Meine ersten Versuche diesbezüglich waren eher weniger erfolgreich: Niemand stellt nur jemanden für eine Woche an. Ich hätte auch lügen können, mit der Arbeit anfangen und dann einfach aufhören (machen wohl einige Backpacker so). Aber das ist nicht mein Ding, das finde ich für den Arbeitgeber nicht fair...Und so lange ich den Job finanziell noch nicht nötig habe, ist hier fair play angesagt :D 

Einer meiner Gastgeber hat mir auch angeboten, bei seinem Kumpel nachzufragen, ob ich beim Verschneiden der Cannabis-Pflanzen helfen könnte. Der Verzehr von Cannabis ist in Kanada legal, hab das auch schon öfter auf den Straßen gerochen. Nur fing der Job erst im Oktober an, das war mir zu lang hin. Zu meinen Freunden hab ich gesagt, dass ich in Kanada gern Jobs machen würde, die ich in Deutschland nicht machen würde...und es kam genau so :D 

Ich den Spieß umgedreht und anstatt nach einem Job auf der kanadischen Kleinanzeigenseite zu suchen, hab ich in einer "Jobs in Halifax"-Facebookgruppe selbst einen Aufruf gestartet und mit offenen Karten gespielt. Neben über 20 Freundschaftsanfragen von Herren mit exotisch klingenden Namen, 81 Reaktionen auf mein Foto und 15 Kommentaren blieben dann tatsächlich nur zwei Angebote übrig, die ich ernst nehmen konnte. Eins davon war ein Remotejob (Assistenz), den ich auch hätte machen können, aber mindestens 4-5 Stunden pro Tag, 5 Tage die Woche. Das war mir zu unflexibel. 

Das andere kam von einem Schweizer, der in Halifax eine Reinigungsfirma hat. Ich könnte für ihn putzen. Wir haben kurz geschrieben, an einem Donnerstag telefoniert und ich hab direkt einen Tag danach probegearbeitet. 
Einen Tag vor der Ankunft des Hurrikans Fiona, aber dazu komme ich noch... 

Bei stetigem Regen bin ich also mit dem Bus 40 Minuten zum Büro gefahren, um im gleichen Haus ein Apartment eines Kunden zu reinigen. Der Schweizer war vor Ort und hat mir in der Wohnung alles erklärt. Ich putze ja auch zu Hause meine Wohnung aber hey, ich hab auch Einiges dazu gelernt! Und ich kam richtig ins Schwitzen, denn pro Einheit ist eine bestimmte Zeit geplant und manche Sachen wie Kalkreste bekommt man eben nicht beim ersten Mal weg. 

Ich hab mich echt gut mit dem Schweizer (genauso alt wie ich) verstanden und nach knapp zwei Stunden waren wir/ ich mit dem Apartment durch. Er hatte mir aber eigentlich zugesagt, dass ich mehr Stunden arbeiten könnte (damit sich meine Anreise auch rentiert). Also kam er dann mit der Offenbarung um die Ecke, dass die Wohnung von ihm und seiner Frau auch eine Reinigung gebrauchen könnte. Sie sind Eltern von zweijährigen Zwillingen und kommen gerade zu nix. Das war eine super merkwürdige Situation, in die Privatwohnung meines künftigen Chefs zu gehen und private Orte wie das Schlafzimmer zu saugen und wischen. Aber hey, für 20 Dollar die Stunde kann man das schon mal machen. Und es ist ja nicht so, dass ich nicht neugierig wäre, wie die Leute hier so wohnen *haha

Er war mit meiner Arbeit sehr zufrieden. Ich würde Putzen nicht zu meinen Lieblingstätigkeiten zählen...aber es gab 20 Dollar die Stunde, was hier schon echt super ist (bei Mc Donalds gibt´s etwa 15 Dollar), ich konnte sehr kurzfristig viele Stunden arbeiten (wann ICH wollte!) und hab es als sportliche Betätigung gesehen. Der perfekte Deal für die Regentage! 


Dann fegte Fiona über Kanada 



In der Nacht von Freitag, dem 23. September zu Samstag sollte Fiona auf die Ostküste Kanadas treffen. Ich hab schon Erdbeben, Überschwemmungen und Stürme miterlebt, aber einen Hurrikan meiner Erinnerung nach noch nie. Kate, die Kanadierin, mit der ich den Ausflug nach Brier Island unternahm, hatte mich noch gewarnt, dass wir uns mitten in der Hurrikan-Saison befinden. Ich dachte, sie veräppelt mich. In keiner meiner schnellen Recherchen über die Provinz Nova Scotia habe ich das gelesen. Kate war bereits wieder in Toronto, also außerhalb der Gefahrenzone. Und ich mitten drin. 

Ich war zu der Zeit bei Sandra (62) untergekommen. Mit mir ein Holländer in den 50ern. Sandra ist eher Typ reserviert aber damit kam ich klar. So hatte ich kein schlechtes Gewissen, nicht dauerhaft was mit ihr zu unternehmen, sondern auch arbeiten gehen zu können. Jedenfalls hatte ich bei ihr mein eigenes Zimmer mit einem echt super soften Bett. In dem ich in der Hurrikannacht fast stündlich am Fenster saß und beobachtete, was draußen passiert. 22.53 Uhr fiel der Strom aus. Der Wind peitschte da bereits in Kombination mit Regen in die Bäume und gegen das Haus. Blitze ohne Donner. Ich hatte ein sehr sehr mulmiges Gefühl. Hatte ich doch auch das Zimmer abbekommen, in das die Stromkabel ins Haus führen und die Häuser hier sind ja meist aus Holz gebaut und scheinen auch nicht super stabil...

Ich versuchte zu schlafen, aber ich konnte wirklich mein Bett wackeln spüren. Ab und an schlief ich ein, aber oft wachte ich auch auf. Am nächsten Morgen dann Begutachtung des Schadens: auf der Straße lagen mehrere Äste auf dem Boden. Ansonsten schien alles okay. 8 Uhr hatten wir auch direkt wieder Strom. Den Nachbarn in den Parallelstraßen hat es zum Teil deutlich schlimmer erwischt: Bäume auf dem Haus, Bäume auf den Autos. Strom noch tagelang danach weg. 


Noch schlimmer hat es aber die Regionen um Cape Breton, Prince Edward Island und Neufundland getroffen. Die beiden ersten Regionen standen auf meinen Reiseplänen für die nächsten Tage (in Cape Breton soll man besonders toll die farbigen Herbstbäume sehen können)...

Nach dem Sturm gab es erst einmal keinen Nachschub









Das Wetter in Halifax wurde wieder besser und an einem Tag hab ich dann noch einmal die Dinge gemacht, die ich bisher in Halifax nicht geschafft hatte: Den 12 Uhr Kanonenstoß in der Zitadelle miterleben und den Friedhof besuchen, auf dem Passagiere der Titanic beerdigt wurden. 

auf dem Friedhof war viel los...
in der Zitadelle 


















Ich arbeitete dann insgesamt nach dem Probearbeiten nur noch drei weitere Tage (einmal Beauty- und Friseursalon sowie Büros, zweimal Häuser nach Auszügen - eins davon 500 Quadratmeter Wohnfläche, für das wir zu 4. sieben Stunden gebraucht haben und es schien kein Ende zu nehmen...). Nach einer Samstagsschicht traf ich mich noch mit einem Couchsurfer und wir machten einen kleinen Ausflug zum Martinique Beach. Da plante ich den nächsten Trip. 


Mittlerweile war ich echt gut vernetzt. Das fiel mit vor allem auf, als ich an einem Abend kurz vor dem zweiten Roadtrip fünf verschiedene Personen zum Oktoberfest zusammenbrachte, die sich gegenseitig nicht kannten, aber alle über mich zusammenkamen. Da waren 
- mein Chef, 
- Danny, den ich vor meinem Abflug über Facebook kontaktierte, weil er schon in Halifax war (ihm und seiner Freundin hab ich dann auch einen Job bei der Putzfirma besorgt und eine kleine Prämie dafür bekommen - juhu :) )
- Saskia, die sich auf mein Aufruf zum Trip nach Cape Breton in einer Facebook-Reisegruppe gemeldet hatte
- Fabio, den ich über Couchsurfing kontaktierte, weil ich gesehen hab, dass er nach Halifax kommt (und ihn ebenfalls zum Cape Breton Trip einlud)
- sowie Loic, ein Franzose, den ich wiederum kennenlernte, als ich meinen Aufruf zur Suche nach Mitreisenden für Cape Breton im Hostel aufhing. Dort wiederum hing bereits sein Gesuch für einen Mitreisenden nach Neufundland und ich dachte, vielleicht will er sich uns anschließen, wenn sich bei ihm niemand meldet. 


An dem Abend erwähnte Saskia auch, dass ich ja schon drei Wochen in Halifax sei. Das kam mir selbst noch gar nicht so lang vor. Da hab ich das erst einmal realisiert. Ich glaube, das ist ein gutes Zeichen. ich fühle mich hier echt sau wohl und bin angekommen!


Für mich war es auch eine Art Abschiedsabend. Denn nach der Reise nach Cape Breton würde ich weiterziehen. Das zumindest war der Plan. Wir wollten eigentlich vom 28.-30. September diesen Kurztrip machen. Aber dann haben wir uns entschieden, den Trip noch einmal zwei Tage nach hinten zu verschieben, weil auf Cape Breton sehr viele Orte und damit Hotels noch kein Internet hatten und die geilsten Wanderwege im Nationalpark wegen umgefallener Bäume gesperrt waren. 
Die ganze Organisation lief über mich. Ich hatte ja auch mehr Zeit als Saskia und Fabio, die kurz vor ihrer Abreise aus Deutschland sicher andere Probleme/ Dinge zu erledigen hatten (kannte ich ja selbst). 




Allerdings nahm das auch echt viel viel Zeit in Anspruch, da sogar bis einen Tag vor Abfahrt das 2. Hotel abgesagt hat und ich vor meiner letzten Arbeitsschicht noch schnell nach Alternativen schauen musste. Letztendlich sollte sich das aber auch wieder als glückliche Fügung herausstellen...Und ich mach das ja auch gern. Da weiß ich wenigstens, was mich erwartet ;) 

Ob wir dann wirklich nach Cape Breton fahren konnten oder ob Fiona zu viel verwüstet hat ...und ob ich wirklich weiterziehen werde oder mich doch unsterblich in Halifax verknallt hab...das erfahrt ihr dann demnächst ;) 




Allgemeine Feststellungen:

-OH MEIN GOTT wie nett sind die Leute hier bitte! Alle sind super aufgeschlossen, interessiert, höflich und zuvorkommend. Ein Schwätzchen hier, ein obligatorisches Dankeschön an den Busfahrer beim Aussteigen da. Mir wurde Hilfe beim Finden einer Sache angeboten, da hatte ich den Stadtplan nicht mal vor meinem Gesicht. Die Autofahrer halten mitten auf einer viel befahrenen Straße für Passanten an. Sie fahren rückwärts, wenn ein Fußgänger die Straße quert, aus der sie gerade rausfahren wollen. Jeder grüßt sich in den kleinen Nachbarschaften, auch mich. Mir werden überall die Türen aufgehalten. Diese Nettigkeit tut richtig gut, das bin ich aus Deutschland in der Art und Weise keinesfalls gewohnt. Kate meint, dass besonders der Osten und besonders Nova Scotia für die Herzlichkeit seiner Bewohner bekannt sei. 
-und OH MEIN GOTT wie teuer ist hier bitte alles! Die Preise für das Gemüse und Obst werden meist in lbs angegeben, also pro 500 Gramm. Das ist echt verwirrend! So kosten die Paprika keine 4,99 CAD pro Kilogramm, sondern pro 500 Gramm. Äpfel bekommt man ab 2,49 CAD pro lb. Eine Ananas kostet 5,99 CAD. Genauso wie ein Päckchen Heidelbeeren (125 Gramm). Für ein Stück Käsekuchen hab ich 8,70 CAD bezahlt. Eine Flasche Wasser kostet 1,69 CAD. Tomaten 2,49 pro halbes Kilo. 7.25 für einen Smoothie. Und da kommen ja immer noch zusätzlich die Steuern drauf...

-in Halifax fahren super viele E-Autos rum. Die scheinen vor allem mit der Welle der Großstädter gekommen zu sein, die sich während Corona dafür entschieden haben, in Halifax zu leben (geringere Lebenserhaltungskosten als bspw. in Toronto aber trotzdem nicer Platz um zu leben - vor allem ruhiger)
-die Menschen hier sind entspannt. Für meine Mentalität teilweise zu entspannt (der Kassierer packt in slow motion die Sachen der Kunden ein), aber die Entschleunigung tut auch mal ganz gut
-es gibt überall gratis Tampons in den Damentoiletten 

-es gibt sehr oft Spritzenentsorgungsboxen in den Sanitäranlagen (und das nicht nur für Diabetiker...) 
-es gibt sehr oft gratis Wasserstellen in der Stadt. Ansonsten gilt auch das Leitungswasser als trinkbar. Es ist eine Selbstverständlichkeit, in Restaurants oder Cafés nach gratis Leitungswasser zu seiner Bestellung zu fragen. Die Angestellten füllen dir auch selbstverständlich deine mitgebrachte Flasche auf.
-Masken und Corona scheinen kein Thema zu sein (außer als ich meine Sozialversicherungsnummer beantragt hab..da galt Maskenpflicht)
-die Benzinpreise werden wohl von der Regierung in der Nacht von Donnerstag auf Freitag festgelegt. Bei meiner Ankunft waren es 1.50 CAD für Benzin, aktuell (3 Wochen später) 1.60 CAD. Der Diesel liegt bei etwa 2.00 CAD / Liter 
-bei Stromausfall wartet man in der Reihenfolge an der Ampel, wie man angefahren kam (auch da ist jeder sehr höflich und lässt den anderen eher vor, als zuerst zu fahren)

2 Kommentare:

  1. Liebe Caro, ich freue mich auf weitere Artikel deines interessanten Lebens. Liebe Grüße Bettina

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    1. Liebe Bettina, danke dafür! Der nächste Post ist bereits in Arbeit ;)

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