"Jeder Mensch bekommt zu seiner Geburt die Welt geschenkt. Die ganze Welt. Aber die meisten von uns haben noch nicht einmal das Geschenkband berührt, geschweige denn hineingeschaut."

Sonntag, 8. Dezember 2013

Die letzten Tage

Freitag, 6.Dezember (Nikolaus! Habe ich fast vergessen)

Meine Nacht war grauenvoll. Zwar war die Maus ruhig, dafür nicht die Nachbarsköter und -hähne.
Die Matratze hart, das Kissen ebenso. 6.30 Uhr sollte ich ja eigentlich geweckt werden. Eine Stunde zuvor begab sich aber bereits eine der Frauen (ich schätze mal die Oma) ins Bad neben meinem Zimmer und röchelte an die 15 Minuten, bevor auch der letzte Schleim ihren Hals verlassen hatte. Kann man netter geweckt werden?
Das ist hier aber ganz normal. Genauso wie das Schmatzen am Tisch, spucken und den Schleim aus der Nase befördern überall. In diesen Sekunden vermisse ich Deutschland.

Auch sonst habe ich wohl zu viele Tage für Kathmandu eingeplant. Wie bereits erwähnt raubt die Stadt mir den Atem, aber nicht im positiven Sinne...



Heute habe ich zunächst Ramjee zur Arbeit begleitet. Auf dem Weg dorthin hielten wir am größten buddhistischen Tempel der Welt (sagt Ramjee zumindest). Für´s Motorradabstellen mussten wir zahlen. Ramjee fragte mich nach Geld, mit seinem Englisch habe ich da aber 3Mal nachfragen müssen und dann war es ihm anscheinend zu dumm und er zahlte selbst. Über eine Stunde sind wir dann quer durch Kathmandu gefahren, um im Büro zu erfahren, dass Stromausfall herrscht. Es war 10.30 Uhr Ortszeit. Spontanerweise beschloss Ramjee einen Ausflug nach Nargakot. Vor der Abfahrt kündigte er an, dass ich heute mit Zahlen dran wäre bzw. dass er nicht viel Bargeld dabei hat (komischerweise habe ich viele Geldscheine beim Bezahlen der Parkgebühr gesehen). Aber gut, sehe ich ein! Schließlich schlafe ich ja umsonst im Haus und bekomme auch Essen (wenn ich es nicht ablehne weil ich vermute, dass ich allergisch dagegen sein könnte). 

Bodnath Stupa






















Nach Nargakot wollte ich auch unbedingt. Auf dem Weg dahin hielten wir an einer Tankstelle und Ramjee meinte, ich solle zahlen. Ich fragte: „Wie viel?“, er meinte: „Dein ganzes Geld“. Nicht mit mir! Ich fragte erneut: „Was kostet es?“, er antworte: „Hast du tausend?“ ich sagte ja und kramte das Geld raus. [tausend Rupien sind in etwa 7,50 Euro-viel für die hiesigen Verhältnisse!]
Komischerweise stand auf der Zapfsäule nur ein Betrag von 500. Ich meinte zu Ramjee: „Dann kannst du mir ja das Restgeld zurückgeben.“ und er: „kein Restgeld, ich musste tausend zahlen.“ Ich habe dann auf die Zapfsäulenanzeige gezeigt und er redete wirres Zeug, was ich zum einen nicht verstand und was dann sicher auch keinen Sinn ergeben hätte. Gut, sei es drum. Ich wusste aber, dass ich aufpassen muss. Die Familie (besonders seine Eltern), deuten mir zu oft darauf hin, wie arm Nepal doch wäre (und schließen sich gleich ein). Und auch Ramjee barmt hin und wieder. Sein Sohn soll für´s Medizinstudium ins Ausland gehen. Er redete auch von Deutschland. Ich sagte ihm, dass es selbst für Deutsche nicht einfach sei, in dieses Studienfach zu gelangen und dass die Vorlesungen größtenteils in deutsch gehalten werden. Dann sprach er wieder was, was ich nicht komplett verstand. Aber immerhin verstand ich, dass sie hoffen, ich könne da was regeln...Ich hatte übrigens bereits im Affentempel die Rechnung für unsere Getränke und seine (!!!) Zigaretten übernommen. Mein Fazit: immer schön im Hinterkopf behalten, dass diese offerierte Gastfreundschaft mit eindeutigen Absichten verbunden sein könnte.

Aber zurück zu den positiven Dingen des Lebens: Nargakot. Hier scheint das Tor zur Welt zu sein. Und wenn nicht das, dann mindestens das zum Himalaya-Gebirge. Wir sind mit dem Motorrad ganze zwei Stunden vom Büro bis dorthin gefahren. Wir mussten Straßen passieren, die fern von Gut & Böse liegen. Meine Oberschenkel verkrampften langsam, weil die Straße nie entspannt geradeaus und auf einer Ebene verlief. Sandpiste, Schotterpiste, Geröllhang – alles dabei. Nur keinen Helm für mich. Aber wir kamen in keine gefährliche Situation und als wir endlich den ersten Punkt erreichten, waren mein Körper und ich froh über die Pause. Die Aussicht war atemberaubend. Natürlich habe ich versucht, sie in einem Foto festzuhalten. Aber das spiegelt nicht im geringsten die Realität wieder. Das Himalaya-Gebirge vor mir, Terrassen-Hänge unter mir. Ich staunte. Über die Friedlichkeit dieses Fleckchen Erde. Über die Fähigkeiten der Natur und die Mächtigkeit der Berge. Da ragten sie vor mir in den Himmel, schön nebeneinander gereiht, damit auch jeder einzelne von ihnen betrachtet werden kann. Schneekuppen, kreisende Greifvögel, Klangkulisse eines Dorflebens. Für einen Moment stellte ich mir ein Leben hier vor. Zusammen mit der Familie. Die Tiere bewegen sich frei ums Haus, die Familie lebt vom eigenem Anbau. Ein einfaches Leben, dafür mit einem der schönsten Anblicke, die die Welt zu bieten hat. Ramjees Frage riss mich aus meinen Gedanken. Auf zum nächsten Aussichtspunkt. 

Nargakot


Ich noch ohne Mondgesicht


Der war natürlich nicht weniger schön. Nur wurde es immer touristischer. Zwischendurch musste das
Motorrad repariert werden, weil es nicht mehr anspring. Wir endeten schließlich in einem Hotel/Restaurant, dass er selbst geplant hat. Natürlich kennt Ramjee den Besitzer und sie kamen ins Plaudern, währenddessen ich mich an der Natur satt sah. Wie schön muss es hier erst im Sommer sein, wenn alles grünt und bepflanzt ist! Wie voll müssen dafür aber auch die Aussichtspunkte sein...Wir waren überall fast allein.

Irgendwann reichten mir die Eindrücke (obwohl ich am liebsten dort übernachtet hätte, um den Sonnenaufgang hinter dem Gebirge zu sehen) und wir traten den Heimweg an. Genauso actionreich aber dafür auch „nur“ eine Stunde. Mein Hintern wird sich sicher am nächsten Tag rächen.


Samstag, 7. Dezember/ 4. Tag:

Heute bin ich das erste Mal allein aufgebrochen, obwohl heute Samstag und damit ein freier Tag für die ganze Familie ist. Aber zuvor noch ein kleiner Ausflug zum Aufstehritual Teil 2: Ich wurde wieder mit Röcheln 5.15 Uhr geweckt. Konnte aber dank Schlafmaske und Ohrstöpsel bis um 7 schlafen, bis der jüngste an der Tür klopfte und meinte, dass es ja schon um 7 wäre (an einem freien Samstag!!!). Hintergrund des Ganzen: Der wollte am Rechner in meinem Zimmer zocken. Macht er jeden Tag. JEDEN. Und wenn nicht zocken, dann Youtube-Videos schauen. Und wenn Ramjee ran will, kämpfen die richtig um das Ding.
Heute fuhr ich zur White Monastery (einem tibetischen Mönchskloster), aber es wollte keiner mit. Das wäre zu weit. Ramjee hat mir zum Glück noch die Ausstiegspunkte verraten und mich zum Bus gebracht. Die Hinfahrt zum ersten Stopp lief problemlos (dauerte aber eine ganze Stunde, weil jede stehende Person am Straßenrand gefragt wird, ob sie mitfahren will). Von dort aus sollte ich ein Taxi nehmen aber ich versuchte es noch einmal mit einem Bus. Die Locals vor Ort, die mich in einen Bus geschickt hatten, hatten keine Ahnung. Ich fuhr nämlich die gleiche Strecke wieder zurück und fragte skeptisch noch einmal den „Kassierer“ nach der White Monastery. Dann entstand ein Gespräch im Bus, weil das anscheinend noch nicht viele kennen. Schließlich stellte sich heraus, dass ich im falschen Bus war und ich stieg aus (bezahlen durfte ich natürlich trotzdem).

Ich lief das Stück wieder zurück, um vom Ausgangspunkt zwei Jugendliche zu fragen, wie ich denn zur Monastery käme. Sie meinten: „Taxi“. Sie redeten daraufhin mit 2 Taxifahrern und die Preise waren natürlich zu teuer. Da alle Beteiligten aber nur wenig Englisch verstanden und ich noch nicht ganz dringend auf´s Geld achten muss, hab ich noch etwas gehandelt und bin dann mit den Jungs im Taxi hochgefahren (da der Taxifahrer den Weg nicht kannte). Naja, ganz hoch hat der uns auch nicht gefahren. Das steilste Stückchen mussten wir noch per Fuß gehen. An uns vorbeifahrend andere Taxis. Prima. Nicht nur abgezockt sondern auch noch beschissen. Ich versuchte noch im Auto den Preis zu drücken, aber plötzlich verstand wieder niemand Englisch. Da ich leider nur einen großen Schein hatte, konnte ich auch nicht klein bezahlen und einfach gehen.
Eingang yum Kloster

Da bin ich dann zusammen mit den beiden Jungs hochgelaufen, die mir unbedingt den Weg zeigen wollten. Ich meinte, dass sie dies nicht tun müssten (mit den Hintergedanken, dass sie auf mein Geld aus sind). Aber sie kamen mit. Am Kloster angekommen liefen wir erst eine Runde. Ziemlich unspektakulär für mich (ich habe nun schon bedeutend eindrucksvollere spirituelle Plätze gesehen). Aber dann kamen wir zu einem großen Tempel, in dem alle Mönche (Frauen und Männer) in ihrer roten Robe auf dem Boden saßen und sagen, Instrumente spielten, beteten. Das war für mich der schönste Moment des Tages. Wir blieben etwas an der Seite sitzen, bis die Jungs meinten, wir müssen gehen, weil die Mönche nun frühstücken. Dann bin ich raus mit den beiden, habe noch ein
Meine Guides
Erinnerungsfoto von ihnen gemacht und habe schließlich noch allein eine Runde gedreht. Und bin wieder zurück zum Tempel. Die Mönche saßen immer noch drinnen und beteten, Touris gingen weiterhin hinein. Ich mit. Ich suchte mir in der hintersten Ecke neben einer anderen Ausländerin ein Plätzchen. Normalerweise sollte man wohl eine Runde durch den Tempel laufen und dann wieder raus gehen. Wir beide aber saßen da und hörten den Gesängen zu. Es kamen immer mehr Leute, die sich zu uns gesellten. Einer der Mönche verwies dann aber darauf, dass die nicht sitzen bleiben sollten und so blieben wir beiden Ausländerinnen und 3 Inder die einzigen in der Ecke. Uns wurden sogar Sitzkissen gereicht. Noch fantastischer: Einer der Mönche läuft durch die Reihen der Betenden und reicht ihnen verschiedene Gaben (Essen). In einer dieser Runden erhielten wir auch etwas in die Hand. Optisch konnte ich es nicht identifizieren. Nach dem ersten Bissen verbreitete sich der Fleischgeschmack in meinem Mund. Getrocknetes Fleisch unbekannter Herkunft. Den Rest tat ich lieber ein ein Taschentuch.
Die Mönche im Kloster


Den Gesängen der Mönche lauschend schloss ich meine Augen um den Moment so intensiv wie möglich zu erleben. Noch nie verging eine Stunde meines Lebens schneller. Gegen 12 Uhr trat ich den Rückweg an. Dieses Mal ohne Taxi, ging ja bergab und ich kannte den Weg. 45 Minuten habe ich gebraucht. Mir kamen Hunderte von Leuten entgegen, die zum Kloster wollen. War ich froh, zur richtigen Zeit am richtigen Ort gewesen zu sein!

Am Ausgangspunkt kaufte ich mir dann noch zwei Bananen und eine Mandarine (die wachsen hier bestens). Das war Frühstück und Mittag in einem. Das Frühstück im Haus hatte ich ausgelassen, um nicht zu spät am Kloster zu sein. Und das war die richtige Entscheidung.
Gegen halb 3 war ich wieder im Haus. Heute habe ich mir das erste Mal meine Haare gewaschen und der Schaum war nicht weiß.. Unter meinen Ohrringen habe ich schwarzen Dreck. Mein Gesicht ist immer noch geschwollen, rot und juckend. Ich werde heute mal nicht auf dem Kopfkissen schlafen (obwohl ich immer mein Tuch drauf lege). Vielleicht ist das Problem damit bereits gelöst.






Sonntag, 8.12.

Ich komme mir bereits wie ein Teil der Familie vor. Die Tagesrituale sind die gleichen: frühs von abartigen Geräuschen geweckt werden, dann vergehen zwei Stunden und dann gibt’s Frühstück (warmer Reis mit kalten Beilagen). Als ich heute früh aufwachte, dachte ich, dass ich ins Krankenhaus müsse. Ich hatte noch nie so ein geschwollenes Gesicht wie heute. Sogar mein rechtes Auge war betroffen. Ich hätte heulen können. Die Nacht auf meinem Kopfkissen (meine Jacke und andere Kleidungsstücke) hat also nichts gebracht. Aber es muss dennoch am Bett liegen, weil sich die Schwellung tagsüber wieder gibt. Komplett weg geht sie dennoch nicht. Ich vermute eine Allergie. Dienstag werde ich mit dem Bus (6-8 h, 200km, 3,50 Euro) nach Pokhara fahren und dort 2 Nächte bei einem anderen Couchsurfer pennen. Spätestens dann sehe ich ja, ob sich was bessert. Vorsichtshalber habe ich heut Morgen+Abend einfach mal eine Paracetamol genommen. Daumen drücken, dass das weg geht! Ein aktuelles Foto erspare ich euch.

Nach dem Schock am Morgen bin ich dann zusammen mit Ramjees Frau zu meinem nächsten Trip aufgebrochen. Ihre Arbeitsstelle (Krankenhaus) lag auf dem Weg. Ich wollte nach Bhaktapur, einer alten Königsstadt. Drittgrößte Stadt in Nepal. Eintritt: 1100 Rupien – echt happig! Und obwohl dieser Ort der touristischste ist, den ich bisher besucht habe, scheinen die Menschen am bedürftigsten. Viele haben mich angebettelt, vor allem die Kinder. Hier gibt es auch viele viele Straßenhunde, aber die meisten von ihnen sind krank und / oder verwundet. Irgendwo habe ich mal gehört, dass man den Lebensstandard eines Ortes an dem Gesundheitszustand der Straßentiere ableiten kann. Sollte dem so sein, geht es den Menschen hier schlecht. Da frage ich mich, wo die ganzen Einnahmen der Eintrittsgelder hingehen, denn hier waren viele Touris unterwegs.

In den Gassen von Bhaktapur

Sitzenbleiben sollte man hier übrigens auch nie, weil aller 5 Minuten jemand ankommt und etwas von dir will. Die meisten wollen dein Tourguide sein und dich rumführen (natürlich gegen Bezahlung). Da die Stadt aber gut allein erkundbar ist und ich sowieso lieber mal abseits der Touristenpfade laufe, lehnte ich mehrmals dankend ab.
Die Stadt an sich bzw. die Sehenswürdigkeiten waren schon ganz nett. Aber wenn ich dazu den hohen Eintrittspreis entgegensetze, ist das schon nicht ganz gerechtfertigt. 
Der h;chste Tempel Nepals




Töpfermarkt




Durbar Square



Der Rückweg war etwas chaotisch. Den ersten Bus hatte ich dank eines Locals, der mich fix mit dem Motorrad zur Station fuhr (unentgeltlich!), gefunden. Dann musste ich nach 1,5 h aber umsteigen.
Mein Bus heimwärts
Und der zweite Bus, in dem die Kassierer viele Jahre jünger waren als ich, schmiss mich dann vor dem eigentlichen Ziel raus und ich glaube auch ich habe für die Fahrt zu viel bezahlt. Zum Glück kannte ich den Weg und nach einem 15-minütigen Lauf in der Abenddämmerung (aber dennoch mit Sonnenbrille wegen meines geschwollenen Gesichtes) war ich im Haus angekommen.
Morgen hoffe ich, meinen Pass vollständig mit Visa von der Botschaft Myanmar abholen zu können und danach will ich mir Thamel anschauen (quasi das Zentrum, der Tourihotspot) und eventuell noch den Pashupatinath Tempel. Hier werden die Körper der Toten verbrannt. Ramjee meinte, da müsse ich auch wieder 1000 Rupien Eintritt bezahlen. Das muss ich mir noch überlegen, da es mich jetzt auch nicht soooo stark reizt, Leichen brennen zu sehen. Ich werde mal recherchieren und dann entscheiden, ob ich mir das zutrauen (oder antun?) will. Wer einen Eindruck davon haben möchte: http://www.youtube.com/watch?v=HMOJXPizC5E

Alltagsfeststellungen:
-Ich bemühe mich jetzt übrigens immer schön gegen um 8 / um 9 ins Bett zu gehen. Warum? Hauptgrund: ich bin wirklich müde. Ich erlebe tagsüber so viel! Weitere Gründe: weil mich Tiere und Oma zwischen 5 und 6 eh wecken und weil es abends keine Alternative gibt. Gestern hatte ich vorgeschlagen, einen Film zu schauen. Ramjee, sein Jüngster und ich schauten G.I.Joe. Ich schlief mehrere Male fast ein. Um 8 ging ich ins Bett :)
-Unterwegs bin ich immer die Einzige, die bei 19/20 Grad im Shirt rumläuft. Die Einheimischen tragen bereits Pullover, wenn nicht sogar Daunenjacken.
-Mindestens einmal täglich fällt der Strom aus.

Bis auf´s Gesicht geht’s mir gut. Keine Magenprobleme, trotz scharfen Essens. Habt also keine Sorgen um mich!

Liebste Grüße,

Caro

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